Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Der "Fall Ludin" in <strong>der</strong> politischen <strong>und</strong> Medienöffentlichkeit<br />
Nicht nur <strong>der</strong> Islamismus als politischer Ausdruck religiösen Extremismus im Islam,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Islam als solcher scheint für die meisten Gegner Ludins aufgr<strong>und</strong> seiner<br />
Tradition <strong>und</strong> seines Menschenbildes unvereinbar mit dem "christlichabendländischen",<br />
"humanistischen" Erziehungsauftrag <strong>der</strong> deutschen Schule, denn er<br />
habe keine Aufklärung erlebt <strong>und</strong> daher auch keine Vorstellung von Toleranz<br />
entwickeln können (Leserbrief in <strong>der</strong> Stuttgarter Zeitung 1.3.1997). Die islamischen<br />
Werte <strong>und</strong> Normen, die ihren symbolischen Ausdruck im Kopftuch fänden, werden<br />
einseitig <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Negation des christlichen, europäischen, deutschen bzw. badenwürttembergischen<br />
entwickelt.<br />
Folgende Werte stehen sich nach Ansicht <strong>der</strong> Kommentatoren gegenüber:<br />
Europa/B<strong>und</strong>esrepublik/Baden-Württemberg "Islamischer Kulturkreis" (z.B. Afghanistan,<br />
türkische Muslime in Deutschland)<br />
Tradition des Christentums:<br />
- Aufklärung<br />
- Toleranz<br />
- christlich-abendländischer <strong>und</strong> humanistischer<br />
Erziehungsauftrag <strong>der</strong> Schule<br />
- auf christlicher Basis beruhende Werte<br />
"unserer Kultur" wie z.B. Emanzipation,<br />
Gleichberechtigung <strong>und</strong> Selbstachtung <strong>der</strong> Frau<br />
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Islamisches Menschenbild, "muslimisches<br />
Denken":<br />
- keine Aufklärung<br />
- mangelnde Toleranz bzw. keine Toleranz<br />
gegenüber Nicht-Muslimen<br />
- Frauenfeindlichkeit, Frauenunterdrückung,<br />
keine Gleichberechtigung <strong>der</strong> Frau, demonstriert<br />
im Kopftuchzwang<br />
- Verbindung von Religion <strong>und</strong> Politik<br />
Angesichts dieser Gegenüberstellung gibt es für die Vertreter dieser Ar-gumentationslinien<br />
zwei Alternativen für muslimische Frauen, sich zum Kopftuchtragen<br />
zu verhalten. Die erste besteht darin, daß Mädchen <strong>und</strong> Frauen von<br />
Ehemännern, Vätern <strong>und</strong> Brü<strong>der</strong>n unter das Kopftuch "gezwungen" werden, die<br />
zweite, daß sie sich davon "befreit" haben. In dieser Logik kann auch ein<br />
freiwilliges Bekenntnis zum Kopftuch nur ein Bekenntnis zur Unterdrückung <strong>der</strong><br />
Frau durch den Mann sein. Im Umkehrschluß wird das Nicht-Tragen, als Akt <strong>der</strong><br />
"Befreiung" <strong>und</strong> somit ebenfalls als aktiver "Bekenntnisschritt" gewertet <strong>und</strong><br />
zwar als ein Bekenntnis gegen das (sogenannte) islamische Frauenbild <strong>und</strong> damit<br />
für christlich-abendländische bzw. humanistische Werte in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong><br />
Aufklärung. Das Tragen wie auch das Nicht-Tragen des Kopftuches wird damit<br />
ideologisch aufgeladen. Es bleibt kein Platz für die Berücksichtigung ganz<br />
persönlicher Beweggründe, die diese Prämissen nicht bestätigen. In einer Art<br />
zirkulärer Schlußfolgerung kann nicht sein, was nicht in dieses Konzept paßt.<br />
Daher suchen die Kommentatoren weiter nach den "wahren" Gründen für Ludins<br />
Entscheidung, das Kopftuch auch als Lehrerin tragen zu wollen, denn auch<br />
"neueste Gespräche mit Ludin geben ... nicht Aufschluß darüber, warum sie so