Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Aleviten in Deutschland<br />
weiterhin <strong>aus</strong>geschlossen bleibt. Mit <strong>der</strong> Öffnung macht ihr euch nur<br />
verw<strong>und</strong>bar.<br />
Beide Verläufe sind nicht singulär. Auf die strukturelle Ähnlichkeit mit <strong>der</strong><br />
innerjüdischen Auseinan<strong>der</strong>setzung im Übergang zur europäischen Mo<strong>der</strong>ne<br />
wurde bereits hingewiesen (Mosse 1992; Baumann 1992). Eine ähnliche Dichotomie<br />
existiert aber auch innerhalb <strong>der</strong> Yeziden, den Armeniern wie <strong>der</strong><br />
allgemeinen islamischen Bewegung in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong>.<br />
Zur strukturellen Säkularisierung des Alevitum:<br />
Der Legitimationsstreit zwischen Wissenskulturen<br />
Der Legitimationsstreit zwischen <strong>der</strong> fiktiven Abstammungsgemeinde, <strong>der</strong><br />
Priesterklasse <strong>und</strong> <strong>der</strong> Laienschaft mit höherer Bildung, <strong>der</strong> sich bislang als<br />
Richtungsstreit artikuliert, deutet auf einen qualitativen Wandel hin:<br />
Je mehr sich die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Aleviten verwirklichen, desto mehr verschwindet<br />
auch ihre traditionelle Legitimationsbasis <strong>und</strong> desto stärker entwikeln<br />
sich die Rituale <strong>und</strong> Zeremonien zu Folklore <strong>und</strong> Brauchtum - beides sind<br />
Momente <strong>der</strong> Historisierung, <strong>der</strong> zwar für die Gegenwart als historischer<br />
Bezugsrahmen eine wichtige Funktion zukommt, nicht aber für die Gestaltung<br />
<strong>der</strong> konkreten Gegenwart des Alltäglichen. Schon das führt zu einem Säkularisierungsschub.<br />
Die Bedeutungsmomente insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Reformer sind mit <strong>der</strong><br />
allgemeinen Säkularisierung weitgehend deckungsgleich. Durch die Säkularisierung<br />
verschiebt sich <strong>der</strong> Bedeutungsgehalt des Glaubens zunächst von <strong>der</strong><br />
öffentlichen Sphäre ins Private <strong>und</strong> in einem weiteren Schub dann vom Bewußtsein<br />
ins individuelle <strong>und</strong> kollektive Unbewußte. Von dort <strong>aus</strong> wirkt er zwar als<br />
Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Werteraster auf das individuelle Denk-, Fühl- <strong>und</strong><br />
Handlungsrepertoire, wird aber nicht mehr immer als religiöser Impuls bewußt. Fazit: Ein sich <strong>der</strong><br />
Gruppe erfindet immer wie<strong>der</strong> neue Abgrenzungssymbole.<br />
Auf die Traditionalisten bezogen ist hingegen festzustellen, daß die Säkularisierung<br />
einher geht mit <strong>der</strong> doktrinären Schließung des Glaubensystems im<br />
Sinne <strong>der</strong> Her<strong>aus</strong>bildung von unverkennbaren Gr<strong>und</strong>strukturen. Das aber setzt<br />
dem bisherigen offenen, zuweilen auch kreativ-spekulativen Interpretationsspielraum<br />
engere Grenzen <strong>und</strong> produziert eine vertikale Hierarchie in <strong>der</strong><br />
Binnenstruktur. Dies führt zwangsläufig zur Homogenisierung <strong>der</strong> Lehre <strong>und</strong> zur<br />
Zentralisierung <strong>der</strong> Organisations- <strong>und</strong> Machtstrukturen. Damit kann sich die<br />
Gruppe von ihrer Umwelt klar abgrenzen <strong>und</strong> sich als eigenständig behaupten.<br />
Allerdings vermag auch sie nicht <strong>der</strong> diesem Prozeß immanenten Ambivalenz zu<br />
entgehen. Um nämlich ihre Identität zu erhalten, sind die Aleviten in jedem Fall<br />
gezwungen, sich nach außen zu öffnen. Damit ihr Fortbestand gesichert ist,<br />
bedarf es immer auch <strong>der</strong> Anerkennung nach allgemeingültigen Kriterien.<br />
An<strong>der</strong>erseits führt gerade dieses Streben dazu, daß sie mehr <strong>und</strong> mehr die<br />
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