Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Yasemin KarakaÕo—lu-Ayd9n<br />
zu rechnen, daß <strong>der</strong> Fall, <strong>der</strong> Gegenstand dieses Artikels sein soll, kein Einzelfall<br />
bleibt. Gegenwärtig ist <strong>der</strong> Fall <strong>der</strong> kopftuchtragenden Lehramtsreferendarin<br />
afghanischer Herkunft Fereshta Ludin jedoch <strong>der</strong> erste <strong>und</strong> einzige, <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit bekannt ist. Auch wenn es sich bei <strong>der</strong> betreffenden Muslimin um eine<br />
Frau afghanischer Herkunft handelt, soll ihr Fall im Rahmen des übergreifenden<br />
Gesamtthemas "<strong>Kern</strong> <strong>und</strong> <strong>Rand</strong>: Gegenwärtige Prozesse <strong>der</strong> religiösen Pluralisierung<br />
zwischen türkischen Migranten in <strong>der</strong> deutschen Migration" im Mittelpunkt <strong>der</strong><br />
folgenden Ausführungen stehen. An ihrem Beispiel kann gezeigt werden, welche<br />
gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen bekennende <strong>und</strong> als solche auch<br />
sichtbare Muslime, die von <strong>der</strong> Mehrheitsgesellschaft eher als subkulturelle<br />
<strong>Rand</strong>erscheinung wahrgenommen werden, zur Teilhabe am <strong>Kern</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft, in<br />
diesem Fall also <strong>der</strong> qualifizierten Mitwirkung in Bildungsinstitutionen, vorfinden.<br />
Während die Frage danach, wie sich die kopftuchtragenden Jungakademikerinnen im<br />
Bildungssystem <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik selbst verorten, Gegenstand einer an<strong>der</strong>en<br />
Untersuchung ist (KarakaÕo—lu-Ayd9n 1998a, 1998b) 1 , soll im folgenden <strong>der</strong> Akzent<br />
auf <strong>der</strong>en Verortung durch Medienöffentlichkeit <strong>und</strong> Politik am Beispiel Ludin<br />
analysiert werden.<br />
Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> folgenden Ausführungen zum "Fall Ludin" sind daher medienöffentlichen<br />
Zeugnisse zum Thema von Politikern <strong>und</strong> Journalisten <strong>und</strong> Leserbriefe<br />
sowie drei Plenarprotokolle von Landtagsdebatten in Baden-Württemberg, die sich mit<br />
dem Thema befaßten. Die inhaltsanalytische Auswertung dieser Quellen ermöglicht es,<br />
die wesentlichen Argumentationslinien <strong>der</strong> verschiedenen Positionen zu <strong>der</strong> Frage, ob<br />
eine kopftuchtragende Lehrerin an einer Schule in Deutschland eingestellt werden soll<br />
o<strong>der</strong> nicht, her<strong>aus</strong>zuarbeiten. Diese Vorgehensweise ermöglicht es darüber hin<strong>aus</strong>, die<br />
den Argumentationen immanenten Annahmen <strong>und</strong> Bewertungen zur<br />
Gr<strong>und</strong>gesetzverträglichkeit des Islam, insbeson<strong>der</strong>e seines Symbols Kopftuch zu<br />
extrahieren.<br />
Zunächst ist auffällig, daß das Thema, das zu einem "Leserbriefspalten füllenden<br />
Thema" (Rainer Ruf in <strong>der</strong> Badischen Zeitung vom 14.7.1998) geworden ist,<br />
Kontroversen in <strong>der</strong> landespolitischen Diskussionen nicht nur zwischen, son<strong>der</strong>n auch<br />
innerhalb <strong>der</strong> Parteien <strong>aus</strong>gelöst hat. Die Fronten verlaufen auf Landes- <strong>und</strong><br />
B<strong>und</strong>esebene quer durch Parteien- <strong>und</strong> Geschlechtergrenzen <strong>und</strong> erreichen mit<br />
Unterstützung durch die Medien eine große Öffentlichkeit, die sich ihrerseits seit<br />
Bekanntwerden des Falls im Februar 1997 in die "hochemotionale Diskussion"<br />
einbringt (Stuttgarter Zeitung vom 14.7.1998). Bei einer Analyse <strong>der</strong><br />
Argumentationsmuster von Befürwortern <strong>und</strong> Gegnern <strong>der</strong> Einstellung einer<br />
muslimischen Lehrerin läßt sich feststellen, daß es offenbar um mehr als die Frage <strong>der</strong><br />
Sichtbarkeit religiöser Symbole im öffentlichen Dienst geht. Fragen <strong>der</strong> Definition von<br />
Integration, des Frauenbildes im Islam <strong>und</strong> seiner Vereinbarkeit mit dem<br />
Erziehungsauftrag <strong>der</strong> Schulen in Deutschland, <strong>der</strong> Werte <strong>und</strong> Normenvermittlung, <strong>der</strong><br />
Lehrerinnenrolle in <strong>der</strong> Gesellschaft etc. führen weit über den oberflächlich als<br />
"Kopftuchdiskussion" bezeichneten Diskurs hin<strong>aus</strong>. Ein Aspekt, <strong>der</strong> dem Fall