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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Gritt M. Klinkhammer<br />

Während sie sich gegen die Ausgangsregeln nicht durchsetzen konnte,<br />

eskalierte <strong>der</strong> Streit in <strong>der</strong> Frage um das Tragen des Kopftuchs: Das habe damit<br />

begonnen, daß ihr Vater zur Hadsch fuhr, als sie 14 Jahre alt war. Nach seiner<br />

Rückkehr legte die Mutter wie<strong>der</strong> regelmäßig das Kopftuch an <strong>und</strong> auch von<br />

Mihriban wurde nun verlangt, das Kopftuch zu tragen. Es habe seitdem regelmäßig<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen um diesen Punkt gegeben.<br />

Die Gründe, die <strong>der</strong> Vater für das Anlegen eines Kopftuches anführte, fand<br />

Mihriban inakzeptabel. Sie wirft ihm auch heute noch vor, daß es ihm nur um<br />

die Anerkennung seiner muslimischen Fre<strong>und</strong>e ging. Die Begründung des<br />

Vaters, daß dies "<strong>der</strong> Wille Allahs" sei, erwähnt sie zwar, ist ihr aber, damals<br />

wie heute, keine hinreichende Erklärung. Sie urteilt, daß das Verhalten <strong>und</strong> die<br />

Äußerung des Vaters ihre Einschätzung bestätigt hätten, daß <strong>der</strong> Islam die Frau<br />

unterdrücke.<br />

"Dann hab ich so gemeint: Nee, ich will nicht, <strong>und</strong> so, <strong>und</strong> da hab ich denen<br />

das dann auch gesagt, daß ich das nie machen werde, auch wenn die mich<br />

dazu zwingen würden, auch wenn sie mich schlagen würden, ich würd's<br />

nie machen, <strong>und</strong> da haben die das halt eingesehen, so also dann habe ich<br />

dann halt meine Ruhe gehabt."<br />

Mihriban berichtet, daß sie sich in bezug auf die Bekleidungsvorschriften<br />

soweit durchsetzte, daß sie in <strong>der</strong> Schule kein Kopftuch trug, es aber<br />

manchmal zu Verwandtenbesuchen anlegte.<br />

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Mihriban die Zeit vor ihrer Hinwendung<br />

zum Islam als Abwehr gegen die Tradition ihrer Eltern darstellt. Den<br />

Islam beschreibt Mihriban vor allem als eine bedrohliche Größe, die ihre<br />

Freiheit <strong>und</strong> Selbständigkeit gefährdete. Die Kritik gegen ihre Eltern, die sie in<br />

<strong>der</strong> Erzählung ihres religiösen Werdegangs hervorhebt, gibt Auskunft über ihre<br />

Kriterien für eine mögliche Akzeptanz islamischer Lebensführung: Die<br />

Annahme des Islam dürfte danach nicht ihre Handlungsfreiheit einschränken,<br />

vielmehr sollte durch sie die Dominanz <strong>der</strong> männlichen Autorität gebrochen<br />

werden, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Islam dürfte sicherlich nicht ihr irrational erscheinende Handlungsweisen<br />

von ihr verlangen.<br />

Die ambivalente Situation än<strong>der</strong>te sich für Mihriban, als zum Ende <strong>der</strong><br />

10. Klasse durch den Klassenlehrer eine Projektwoche zum Thema "Islam"<br />

angeregt wurde. Mihriban sei sehr gut in <strong>der</strong> Schule gewesen <strong>und</strong> seit längerer<br />

Zeit schon als Klassensprecherin beson<strong>der</strong>s engagiert in <strong>der</strong> Klassengemeinschaft.<br />

Sie beschreibt, daß sie in diesem Moment zum ersten Mal von ihren<br />

Mitschülerinnen <strong>und</strong> Mitschülern als Türkin <strong>und</strong> Muslimin wahrgenommen<br />

<strong>und</strong> befragt wurde.<br />

"Unser Lehrer durfte dann das Projektthema <strong>aus</strong>suchen <strong>und</strong> <strong>der</strong> hat dann das<br />

Thema Islam gewählt, ich weiß auch nicht, wie er dazu gekommen ist, ich<br />

war die einzige Muslima <strong>und</strong> auch die einzige Auslän<strong>der</strong>in in <strong>der</strong> Klasse,<br />

alle an<strong>der</strong>en waren halt Deutsche. Und ah ja <strong>und</strong> dann war es halt so, daß

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