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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Partnerwahl <strong>der</strong> zweiten Migrantengeneration türkischer Herkunft<br />

ist. Entsprechend betonen selbst diejenigen Interviewpartner, die innerhalb ihrer<br />

Verwandtschaft geheiratet haben, daß sich bei zu enger Verwandtschaft<br />

ges<strong>und</strong>heitliche Risiken ergeben würden. Der Tenor ihrer Argumentation besteht<br />

darin, daß sie ihre Partner nicht deswegen geheiratet haben, weil sie mit ihnen<br />

verwandt sind, son<strong>der</strong>n obwohl sie verwandt sind.<br />

Daß es hier einen gewissen Wi<strong>der</strong>spruch von Diskurs <strong>und</strong> Praxis gibt, könnte<br />

dadurch bedingt sein, daß Verwandtschaftsehen trotz ihres rückständigen Images<br />

auch für Migranten <strong>und</strong> in gewisser Hinsicht gerade für Migranten vorteilhaft<br />

sein können. Worin diese Vorteile bestehen, beschreiben Stirling <strong>und</strong> Incirlioglu.<br />

Zwar bezieht sich ihre Analyse auf die Situation von Binnenmigranten in <strong>der</strong><br />

<strong>Türkei</strong>, <strong>der</strong>en Situation sich selbstverständlich in vielerlei Hinsicht von <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Auslandmigranten unterscheidet, doch scheinen beide Gruppen bezüglich <strong>der</strong><br />

Verheiratung ihrer Kin<strong>der</strong> mit strukturell vergleichbaren Problemen konfrontiert<br />

zu sein, für die die Verwandtschaftsehe eine sinnvolle Lösung darstellt:<br />

"Households which have recently moved out of the villages ... face even<br />

more severe problems in fulfilling their duty to find suitable partners<br />

for their marriageable children than they would have done in the<br />

village. Other people in town are not known with sufficient intimacy<br />

to be trusted in so risky and important a relationship. But since their<br />

move, they have less access to village information networks ... But<br />

they do keep in close touch with their parents and their own siblings.<br />

What was in the past the nearest and easiest source of spouses has<br />

now even greater advantages over alternatives."(Stirling/Inçirliuo—lu<br />

1996: 78)<br />

In <strong>der</strong> Anfangszeit <strong>der</strong> Migration begünstigt demnach insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Faktor<br />

<strong>der</strong> Fremdheit am Ankunftsort zunächst Verwandtschaftsehen. Entsprechend<br />

haben sich auch die Auslandsmigranten in den achtziger Jahren bei <strong>der</strong> Partnersuche<br />

für ihre größtenteils in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> aufgewachsenen Kin<strong>der</strong> zunächst im<br />

Kreis ihrer Verwandten umgesehen (vgl. Böcker, a.a.O.).<br />

Doch nicht nur für Eltern, auch für die Eheleute kann die Verwandtschaftsehe<br />

in <strong>der</strong> Migrationssituation unter Umständen von Vorteil sein. So ist beispielsweise<br />

im Fall von Kibriyes ältestem Bru<strong>der</strong>, <strong>der</strong> seine Cousine geheiratet hat,<br />

davon <strong>aus</strong>zugehen, daß die verwandtschaftliche Vertrautheit dazu beigeträgt, ein<br />

spezielles Problem transnationaler Eheschließungen abzumil<strong>der</strong>n, das darin<br />

besteht, daß den mehrere t<strong>aus</strong>end Kilometer entfernt wohnenden Partnern wenig<br />

Zeit bleibt, sich kennenzulernen <strong>und</strong> einan<strong>der</strong> näher zu kommen. In <strong>der</strong> Regel<br />

muß die Eheschließung innerhalb des Jahresurlaubs beschlossen <strong>und</strong><br />

durchgeführt werden, so daß es günstig ist, wenn sich die beteiligten Akteure<br />

bereits vorher gut kennen. Auch dürfte es für die junge Braut nach <strong>der</strong> Heiratsmigration<br />

von Vorteil sein, daß sie in den H<strong>aus</strong>halt ihrer Tante <strong>und</strong> ihres<br />

Onkel einheiratet, da sie bei einer Heirat mit einem Nicht-Verwandten in<br />

Deutschland keine Angehörigen gehabt hätte.<br />

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