Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Georges Tamer<br />
Stellt sich die Sprache damit meistens als die Crux <strong>der</strong> Gemeindearbeit dar, so<br />
ist sie dennoch das Medium, an dem die Rum-Orthodoxen ihre kulturelle<br />
Aufgeschlossenheit vorzüglich demonstrieren können. Für sie stehen die<br />
Verwendung <strong>der</strong> deutschen Sprache im Gottesdienst <strong>und</strong> die Aufnahme von<br />
Elementen <strong>der</strong> deutschen Kultur nicht im Wi<strong>der</strong>spruch zur betonten Bewahrung<br />
<strong>der</strong> Identität. So knapp gefaßt lautete die von den rum-orthodoxen Jugendlichen<br />
auf <strong>der</strong> bereits erwähnten Tagung in Hofgeismar vertretene Haltung.<br />
Eine ähnliche Position, die neue kulturelle Elemente für kirchliche<br />
Zwecke leicht zu adoptieren vermag, ohne dabei Identitätsverlust zu fürchten,<br />
zeichnete den Umgang <strong>der</strong> Rum-Orthodoxen mit <strong>der</strong> arabischen Sprache <strong>aus</strong>,<br />
die sie nach Verbreitung des Islam im Mittelmeerraum <strong>und</strong> spätestens seit dem<br />
zehnten Jahrh<strong>und</strong>ert in <strong>der</strong> Liturgie sowie für die Verfassung von<br />
theologischen Schriften verwenden. Eine bemerkenswerte Kontinuität zieht<br />
sich damit in dieser Kirche durch, die schon bei ihrer Geburt ethnisch <strong>und</strong><br />
kulturell heterogen war <strong>und</strong> immer noch durch tiefe Aufgeschlossenheit dem<br />
kulturell Neuen gegenüber gekennzeichnet ist. 5<br />
Ein weiteres Problem stellt sich im ermangelnden Interesse an den Aktivitäten<br />
dar, die wie etwa Gottesdienste <strong>und</strong> Bibelkreise eher einen kirchlichen<br />
Charakter haben. Insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Jugend läßt sich eine gewisse Entfernung<br />
vom Kirchlichen beobachten. Die meisten Jugendlichen besuchen selten<br />
den Gottesdienst, engagieren sich wenig in Gemeindeaktivitäten <strong>und</strong> wollen<br />
die Lehren ihrer Kirche kaum lernen <strong>und</strong> verstehen. Dies hat sicherlich<br />
weitreichende Gründe, die in <strong>der</strong> allgemeinen Lage <strong>der</strong> Jugend in <strong>der</strong><br />
deutschen Gesellschaft liegen <strong>und</strong> daher über den Rahmen <strong>der</strong> rum-orthodoxen<br />
Kirchengemeinden hin<strong>aus</strong>gehen. Es läßt sich dennoch beobachten, daß die<br />
noch sehr jungen Bemühungen, die Jugend für die Kirche zu gewinnen <strong>und</strong><br />
ihrer kirchlichen Zugehörigkeit bewußter zu machen, bereits erste Früchte<br />
zeigen.<br />
Fazit<br />
Das beobachtete mangelhafte Interesse an <strong>der</strong> geistlichen Bedeutung <strong>der</strong><br />
Kirche, das bei vielen Rum-Orthodoxen <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> in Deutschland bemerkt<br />
werden kann, bestätigt den Eindruck, daß diese Christen die Kirchengemeinde<br />
nicht nur als die christliche Gemeinschaft im geistlichen Sinne empfinden,<br />
son<strong>der</strong>n sie ebenso B <strong>und</strong> meistens in stärkerem Ausmaß B als die Heimat<br />
auffassen <strong>und</strong> daher mit deutlicher Selbstverständlichkeit betrachten.<br />
Dürfte man zum Schluß dieses Beitrags <strong>aus</strong> dem dargelegten Standpunkt<br />
her<strong>aus</strong> eine theologische Perspektive kurz erschließen, so könnte festgestellt<br />
werden, daß die dargestellte Haltung von <strong>der</strong> Kirche als <strong>der</strong> Heimat sich im<br />
Gr<strong>und</strong>e mit dem paradoxen christlichen Prinzip, in <strong>der</strong> Welt <strong>und</strong> zugleich nicht