Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Gritt M. Klinkhammer<br />
ist, weißt Du, warum wird das immer so falsch dargestellt <strong>und</strong> so <strong>und</strong><br />
dann, naja."<br />
Ihre Kritik, daß "die Frau ... wirklich unterdrückt (ist) im Islam", habe sie vorbringen<br />
<strong>und</strong> diskutieren können. Zudem lernte Mihriban dort die Unterscheidung<br />
zwischen "wahrem Islam" <strong>und</strong> "Tradition" kennen:<br />
"... das ist <strong>der</strong> Knackpunkt, ... <strong>und</strong> das mach' ich jetzt immer noch, immer<br />
diesen Strich zwischen Muslimen <strong>und</strong> dem Islam zu ziehen, zwischen<br />
Tradition <strong>und</strong> dem wahren Islam. Und das konnt' ich halt früher nicht,<br />
weil ich nicht wußte, was <strong>der</strong> Islam ist...".<br />
Unverständliche <strong>und</strong> von ihr als ungerecht empf<strong>und</strong>ene Handlungsvorschriften<br />
- wie die, die durch ihren Vater <strong>aus</strong>gesprochen wurden - bezieht sie nun auf die<br />
Unwissenheit <strong>der</strong> Muslime <strong>und</strong> die Unzulänglichkeit <strong>der</strong> Traditionsbildung.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e in bezug auf das Thema "Frau im Islam", so betont sie, habe<br />
sie neue Entdeckungen gemacht <strong>und</strong> sie verstehe den Islam nun als fortschrittlich<br />
gegenüber den Rechten <strong>der</strong> Frau. Zentrales Beispiel ist ihr hier die schon<br />
in <strong>der</strong> Tradition häufig angewandte Interpretation <strong>der</strong> Koranstellen über die<br />
Ehe als Ideal einer Monogamie. Sie erwähnt auch die Verbesserung <strong>der</strong> Stellung<br />
<strong>der</strong> Frau durch den Islam gegenüber <strong>der</strong> vorislamischen Zeit, <strong>und</strong> sie<br />
weist darauf hin, daß nach islamischer Auffassung die Frau vor Gott immer<br />
schon mit dem Manne gleich gewesen sei <strong>und</strong> im Islam ihr niemals - an<strong>der</strong>s als<br />
im Christentum - die Existenz einer Seele abgesprochen worden sei.<br />
Mihriban fühlt sich damit bestätigt in ihren Gr<strong>und</strong>positionen: das, was Allah<br />
im Koran über die Frauen sagt, "gefällt" ihr. Somit begann "ihre Religion", sie<br />
zu "faszinieren", <strong>und</strong> sie fing an, diese Religion anzunehmen.<br />
Schon bei <strong>der</strong> Rückkehr habe sie den Islam gegenüber ihren "skeptischen"<br />
<strong>und</strong> "unwissenden" Cousinen verteidigt. In diesem Augenblick habe sie beschlossen,<br />
es sich zur Aufgabe zu machen, die Musliminnen aufzuklären. In<br />
<strong>der</strong> einen Woche, die sie noch Ferien hatte, habe sie dann begonnen, das<br />
Kopftuch zu tragen, das sie fortan auch in <strong>der</strong> Schule anlegte. Mihiriban<br />
engagierte sich weiter, setzte ihren Wunsch um, muslimische Frauen<br />
aufzuklären, indem sie eine Frauengruppe gründete. Nachdem sie in <strong>der</strong><br />
Moschee einen Frauenraum erstritten hat, geht sie heute regelmäßig in die<br />
Moschee <strong>und</strong> leitet dort ihre Gruppe. Sie ist Mitglied <strong>der</strong> Milli GörüÕ<br />
geworden <strong>und</strong> koordiniert den Aust<strong>aus</strong>ch von muslimischen Mädchengruppen<br />
in den umliegenden Städten. Sie besucht weiterhin Fortbildungsseminare <strong>der</strong><br />
Milli GörüÕ. Und sie betet jetzt fünfmal am Tag.<br />
Mihriban hebt zum Ende ihrer Ezählung über ihre Hinwendung zum Islam<br />
hervor, daß sich durch ihre Annahme des Islam die Familiensituation für alle<br />
Beteiligten verbessert habe, weil in <strong>der</strong> Familie <strong>der</strong> Islam nun "wirklich praktiziert"<br />
werde. Dazu führt sie <strong>aus</strong>, daß <strong>der</strong> Vater heute im H<strong>aus</strong>halt hilft <strong>und</strong> die<br />
Familie sich durch Aufgabenteilung gegenseitig unterstützt. Auch habe sie nun