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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Aleviten in Deutschland<br />

solange sie sich "im Herzen rein" fühlen. Ihre Devise lautet: Wer innerlich rein<br />

ist, hat keine rituelle Waschung nötig. Nur dann, wenn sie es für richtig halten,<br />

nehmen sie eine rituelle Waschung vor: in <strong>der</strong> Regel vor den Mahlzeiten, bei<br />

wichtigen Anlässen, wenn sie ein "heiliges Buch" in die Hand nehmen, eine<br />

Reise antreten usw. Möglicherweise auch <strong>aus</strong> diesem Gr<strong>und</strong> waren Aleviten stets<br />

Schmutzphantasien durch die Sunniten <strong>aus</strong>gesetzt (Kehl-Bodrogi 1993; Vorhoff<br />

1995 <strong>und</strong> Petersen 1985).<br />

An das Alkoholverbot halten sich Aleviten ebenfalls nicht. Sie begründen das<br />

damit, daß dieses Verbot nur für Menschen gilt, die nicht in <strong>der</strong> Lage sind, "ihre<br />

Zunge, ihre Hände <strong>und</strong> ihre Lenden" zu beherrschen. Von solchen Leuten<br />

grenzen sie sich jedoch strikt ab (Petersen 1985: 44ff.). Allerdings soll das nicht<br />

heißen, daß alle immer <strong>und</strong> gern Alkohol zu sich nehmen. In <strong>der</strong> Regel sind es<br />

doch eher Männer <strong>und</strong> von diesen die aÕ9ks (die Barden) <strong>und</strong> die abdal (die<br />

Weisen/die Entrückten).<br />

Transethnische o<strong>der</strong> religiös-ethnische Gemeinschaft?<br />

Die alevitischen Kurden <strong>und</strong> alevitischen Türken unterscheiden sich von den<br />

übrigen Kurden bzw. Türken dadurch, daß sie in beiden Sprachgemeinschaften<br />

eine kulturell-religiöse Min<strong>der</strong>heit bilden <strong>und</strong> sich durch diese Eigenschaft<br />

"überethnisch" zu einer Gemeinschaft zugehörig fühlen. Die Mehrheit <strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

<strong>Türkei</strong> lebenden Bevölkerungsgruppe kurdischer Herkunft ist dagegen orthodoxsunnitischen<br />

Glaubens schafiitischer Richtung o<strong>der</strong> gehört einer <strong>der</strong> vier<br />

anerkannten islamischen Rechtsschulen an. Das gleiche gilt für die türkischsprachige<br />

Bevölkerungsgruppe, die allerding in <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> hanefitischen<br />

Richtung folgt. Da die Aleviten aufgr<strong>und</strong> ihrer häretischen Haltung zum<br />

orthodoxen Islam trotz eines Bevölkerungsanteils von schätzungsweise 20 bis 25<br />

Prozent an <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> eine marginalisierte Bevölkerungsgruppe<br />

darstellen, empfinden sie das religiöse Zusammengehörigkeitsgefühl<br />

sogar stärker als jenes, welches auf <strong>der</strong> ethnischen <strong>und</strong> sprachlichen Herkunft<br />

basiert (Kürsat-Ahlers <strong>und</strong> Ahlers 1986: 18-19). Allerdings müßte man<br />

hinzufügen, daß das seinen Gr<strong>und</strong> auch darin hat, daß Selbstdefinitionen im<br />

vor<strong>der</strong>en Orient früher ohnehin religiös bestimmt wurden. Die uns heute so<br />

selbstverständlich erscheinenden ethnischen Definitionen sind erst jüngeren<br />

Datums (Scheffler 1985).<br />

In <strong>der</strong> Literatur wird davon <strong>aus</strong>gegangen, daß die Aleviten 7 nicht nur Träger<br />

zentralasiatisch-alttürkischer Kulturtraditionen sind, die zudem als Philosophen<br />

<strong>und</strong> Humanisten des türkisch-islamischen Mittelalters die türkische Sprache,<br />

Musik <strong>und</strong> Dichtkunst bewahrt <strong>und</strong> fortgeführt haben, son<strong>der</strong>n daß sie ihrerseits<br />

auch Einflüsse - in welchem Maße, ist unklar - des sunnitischen Islams, <strong>der</strong><br />

Schia, des Sufismus, des Judenchristentums, <strong>der</strong> Gnosis, des frühen <strong>und</strong><br />

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