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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Gaby Straßburger<br />

Meistens ist es so, daß die wollen ... daß ich dort in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> heirate<br />

<strong>und</strong> die hierher bringen würde. Deswegen kommen die immer zu<br />

meinen Eltern. Und deswegen wollt ich ja nicht, in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> wollt<br />

ich nicht heiraten."<br />

Die intensive Brautwerbung, mit <strong>der</strong> sich Kibriye während des Urlaubs in <strong>der</strong><br />

<strong>Türkei</strong> seit ihrem 14. Geburtstag regelmäßig konfrontiert sieht, ist als eine<br />

typische Folge <strong>der</strong> restriktiven deutschen Migrationspolitik <strong>und</strong> des anhaltenden<br />

Migrationsdrucks in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> zu werten. Durch die konkurrierenden<br />

Heiratsangebote sehen sich Kibriyes Eltern vor die Frage gestellt, welche<br />

Angebote sie sofort abweisen, welche in Erwägung ziehen <strong>und</strong> welche sie<br />

schließlich befürworten <strong>und</strong> ihrer Tochter unterbreiten sollen. Die Entscheidung<br />

fällt zumal dann nicht leicht, wenn sich mehrere Verwandte gleichzeitig für die<br />

Eheschließung interessieren. Sie erhält auch dadurch zusätzliches Gewicht, daß<br />

es sich um eine transnationale Eheschließung handelt, die mit <strong>der</strong><br />

Migrationsoption nach Deutschland verb<strong>und</strong>en ist. Wer abgewiesen wird, dem<br />

wird gleichzeitig eine ökonomische Zukunftsperspektive genommen.<br />

Bei <strong>der</strong> Entscheidung ist vor allem die Verpflichtung, die man <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Person gegenüber verspürt, ein wesentliches Auswahlkriterium. Deshalb pocht<br />

<strong>der</strong> Onkel, <strong>der</strong> seine Tochter an Kibriyes ältesten Bru<strong>der</strong> "gegeben" hat, auf sein<br />

Recht, daß Kibriye zum Aust<strong>aus</strong>ch mit seinem Sohn verheiratet wird. Es ist<br />

anzunehmen, daß dieses Argument bei Kibriyes Eltern auf Resonanz stößt <strong>und</strong><br />

zumindest ein moralisches Problem aufwirft, zumal ein Mann nach Ansicht<br />

vieler Dorfbewohner einen gewissen Anspruch darauf hat, die Tochter seines<br />

Bru<strong>der</strong>s als Braut für seinen Sohn zu bekommen (vgl. Stirling/Inçirlio—lu<br />

1996: 69).<br />

Kibriye hingegen meint keineswegs, dem Drängen ihres Onkels bzw. dem<br />

Migrationswunsch ihres Cousins nachkommen zu müssen. Vielmehr fühlt sie<br />

sich davon befremdet, von ihren Verwandten als Ehefrau begehrt zu werden:<br />

"Ich war immer enttäuscht, wenn die gekommen sind <strong>und</strong> gesagt haben,<br />

[daß sie mich heiraten wollen]. Ich hab immer gedacht, die lieben<br />

mich auch wie eine Schwester, wie eine kleine Schwester von ihnen.<br />

Und dann war es doch nicht so ... Für mich sind Verwandte halt wie,<br />

wie [meine] eigene Familie <strong>und</strong> nicht wie, kann ich nicht sehen wie,<br />

wie meinen Mann o<strong>der</strong> wie meinen Liebhaber."<br />

Ehen innerhalb <strong>und</strong> außerhalb <strong>der</strong> Verwandtschaft<br />

Auch an<strong>der</strong>e Interviewpartner lehnen die Eheschließung mit Verwandten <strong>aus</strong><br />

dem Herkunftsort ab. Verwandtschaftsehen werden als rückständig verurteilt,<br />

wobei diese Auffassung keineswegs migrantentypisch zu werten ist, son<strong>der</strong>n<br />

infolge massiver Aufklärungskampagnen auch in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> allgemein verbreitet

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