Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Sigrid Nökel<br />
Beurteilung ihrer Leistungen sind immer Abstammung <strong>und</strong> kollektive Zuordnung<br />
kopräsent.<br />
In den folgenden Ausführungen zeige ich auf, daß sich im Kontext <strong>der</strong> symbolischen<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzungen um soziale Rangzuordnungen das Projekt einer<br />
neuen islamischen Weiblichkeit entfaltet. Dieses richtet sich sowohl gegen den<br />
Entwurf <strong>der</strong> traditionellen Weiblichkeit, die die erste Immigrantengeneration<br />
repräsentiert, wie auch gegen die Projektion einer als höher <strong>und</strong> besser<br />
definierten mo<strong>der</strong>nen Weiblichkeit, mit <strong>der</strong> "die Deutschen" <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Perspektive<br />
<strong>der</strong> jungen Frauen Universalismus verbinden <strong>und</strong> Gleichheit versprechen, aber<br />
Unterwerfung <strong>und</strong> Verleugnung <strong>der</strong> eigenen Authentizität for<strong>der</strong>n, ohne dieses<br />
Versprechen einzuhalten. Über das Projekt <strong>der</strong> neo-islamischen Weiblichkeit<br />
führen sich die jungen Frauen in die Auseinan<strong>der</strong>setzung um soziale Ränge mit<br />
Körper- <strong>und</strong> Geschlechterpolitiken ein <strong>und</strong> machen Autorität zum<br />
Verhandlungsgegenstand. Als Gr<strong>und</strong>lage dienen biographische Erzählungen<br />
junger islamischer Frauen.<br />
Markierungspunkte <strong>der</strong> individuellen Situierung<br />
Biographische Erzählungen sind, wie Gabriele Rosenthal (1993) anschließend an<br />
Gurwitsch <strong>aus</strong>führt, keine zufällige Ansammlung von Einzelerzählungen,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Erzähler bündelt sie zu einer Gesamtgestalt. Ein Thema zerfällt<br />
dabei in verschiedene Themenfel<strong>der</strong>, die zuweilen auf den ersten Blick nichts<br />
miteinan<strong>der</strong> zu tun haben, aber in kohärenter Beziehung zum Thema stehen. In<br />
den Erzählungen <strong>der</strong> jungen Muslimas ist dieses Thema mehrheitlich die zufällig<br />
über die Person gekommene Situierung in <strong>der</strong> Translokalität <strong>und</strong> die Definition<br />
des Selbst in dieser Situierung.<br />
Bei den meisten Erzählerinnen - ich beziehe mich hier auf eine Gesamtzahl<br />
von achtzehn im Alter zwischen achtzehn <strong>und</strong> acht<strong>und</strong>zwanzig, wobei <strong>der</strong><br />
Schwerpunkt auf Anfang zwanzig liegt; praktizierende Muslimas sind sie seit<br />
einem Zeitraum von einem halben bis sieben Jahren 1 - setzt die Bedeutung des<br />
Translokalen als kontingente, aber feste Variable <strong>der</strong> Selbstbeschreibung bereits<br />
mit Beginn <strong>der</strong> Erzählung ein. Methodisch ist die Eingangssequenz von<br />
beson<strong>der</strong>er Bedeutung, weil sie auf die wichtigsten thematischen Fel<strong>der</strong> hinweist.<br />
So heißt es zum Beispiel:<br />
"Also, ich bin 1969 geboren, in Istanbul, in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong>. Mit 5 bin ich nach<br />
Deutschland * 2 übergesiedelt, 1974. Dann war ich bis 1978, nee, bis 1982<br />
war ich hier auf <strong>der</strong> Schule, hab die Schule besucht, dann eh, war ich auf<br />
dem Gymnasium..."<br />
"Also, fang ich von <strong>der</strong> Geburt an. Ich wurde in Marokko geboren, in einem<br />
Dorf da. Und mein Vater, <strong>der</strong> kam als erstes hier 'rüber, also als<br />
Gastarbeiter. Erst war er in Frankreich <strong>und</strong> kam dann hierher nach