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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Neue Islamische Weiblichkeit als Alternative<br />

Schule. In <strong>der</strong> Schule ging das nicht, weil meine Lehrerin dagegen war. Sie<br />

hat gesagt, daß ich erhebliche Schwierigkeiten bekomme <strong>und</strong> meine Noten<br />

würden eventuell 'runtergedrückt, weil die Lehrer sich dann ein an<strong>der</strong>es<br />

Bild von mir machen würden ... Und * ich hab das immer so gemacht: Nach<br />

<strong>der</strong> Schule, wenn wir Schulschluß hatten um vier Uhr sind wir<br />

'r<strong>aus</strong>gegangen. Auf dem Schulhof hab ich mein Kopftuch aufgesetzt <strong>und</strong><br />

das war ein an<strong>der</strong>es Gefühl für mich, weil alle mich so anguckten, ne. Und<br />

ich wußte nicht, wie ich den Leuten das erklären sollte. Weil, ich hatte auch<br />

nicht so viel Wissen gehabt, ne. Und *, naja, dachte ich, ach Scheiße nee,<br />

wie erklärst du den Leuten das jetzt. Und *, das fanden * die Schüler in<br />

meiner Klasse in Ordnung. Die, die mich kannten, sagen, ja, ist okay,<br />

kannst du machen. Meine Lehrerin, die hat dazu nichts gesagt. Die fand das<br />

sowieso irgendwie blöd, denk ich mir mal. Weil, sonst hätte sie gesagt, ist<br />

in Ordnung. Weil in <strong>der</strong> Parallelklas-se war eine * Kopftuchträgerin, die hat<br />

aber von <strong>der</strong> 5. Klasse ab eins ge-tragen <strong>und</strong> die wurde immer, von den<br />

Lehrern berücksichtigt, falls sie was unternommen haben <strong>und</strong> so, ne. Also,<br />

das war schon bei denen in Ordnung. Nur bei mir in <strong>der</strong> Klasse nicht. Da<br />

haben sie Radau gemacht ..."<br />

Was die Leistungen betrifft, ist es eine "Erfolgsstory", die schließlich zum Studium<br />

führt. Zugleich aber ist es für die Erzählerin ein Netz mit zahlreichen<br />

Knotenpunkten <strong>der</strong> Situierung am sozialen <strong>Rand</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong><br />

Differenz in Konnotation mit Abstufung <strong>und</strong> Benachteiligung. Es beginnt bereits<br />

mit <strong>der</strong> gescheiterten Einschulung <strong>und</strong> erreicht seinen Höhepunkt mit dem<br />

Kopftuch. 3 Die Einschulung ist bereits mit <strong>der</strong> amtlichen, d.h. objektiven<br />

Erklärung des Defizits verb<strong>und</strong>en. Die mangelnde deutsche Sprache führt, für<br />

Kin<strong>der</strong> dieses Alter eine sehr wichtige Unterscheidung, nicht in die Schule,<br />

son<strong>der</strong>n in den Schul-Kin<strong>der</strong>garten <strong>und</strong> anschließend in die Son<strong>der</strong>klasse für<br />

türkische Schüler. Diese zeigt sich zwar im Vergleich zur späteren gemischten<br />

Klasse als eine Art Schulparadies - die sozialen Kontakte stimmen, die Erzählerin,<br />

nennen wir sie Ayla, bringt es sogar bis zur Anführerin <strong>der</strong> Klasse, <strong>und</strong><br />

ihre Leistungen sind gut -, aber sie erweist ihr einen schlechten Dienst, weil sie<br />

offensichtlich die schlechtere Schule ist, die nicht genug vermittelt für einen<br />

nahtlosen Übergang in die Regelklasse, in <strong>der</strong> sie, die ehemalige Anführerin<br />

zudem zum Mauerblümchen degradiert wird. Aber sie bewältigt die Situation,<br />

auch wenn <strong>der</strong> ihr eigentlich zustehende Platz, das Gymnasium, aufgr<strong>und</strong><br />

mangeln<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung verwehrt bleibt, weil sie ihrem Selbstverständnis nach<br />

kein Verlierertyp ist. Später, an <strong>der</strong> Gesamtschule, arbeitet Ayla, wie sie an<br />

an<strong>der</strong>er Stelle <strong>aus</strong>führt, mit enormem Ehrgeiz <strong>und</strong> einer äußerst kompetiven<br />

Einstellung erfolgreich daran, stets zu den Klassenbesten zu gehören. Ihre<br />

Disziplin <strong>und</strong> ihre, was sie mit Stolz erfüllt, fast schon männliche, für ein<br />

türkisches Mädchen nicht übliche Entschlossenheit bewahren sie davor, als<br />

"typisch türkisches Mädchen" klassifiziert zu werden. Eine zentrale Rolle spielt<br />

die Lehrerin. Diese ist zwar "sehr hart", "drückt die Noten" <strong>und</strong> ist zudem, was<br />

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