Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Aleviten in Deutschland<br />
jedoch entsexualisierte Beziehung. Die beiden Seiten auferlegte Inzestschranke<br />
wird über drei bis vier, mancherorts auch sieben Generationen aufrechterhalte,<br />
<strong>und</strong> dies in einer Gesellschaft, in <strong>der</strong> Eheschließungen sogar zwischen<br />
Blutsverwandten üblich sind. Erwähnenswert ist auch, daß manche Alevi die<br />
Ansicht vertreten, daß sie mit <strong>der</strong> Geburt bereits das erste Tor durchschritten<br />
haben (KarakaÕo—lu 1996: 43).<br />
Am Ende des Weges soll ein Mensch geformt sein, <strong>der</strong> "seine Hand, seine<br />
Zunge <strong>und</strong> seine Lenden zu beherrschen weiß", d.h. ein gesellschaftsfähiger,<br />
durch Selbstbeherrschung kontrollierter Mensch. Im Original lautet diese<br />
Formel: eline, diline, beline hakim olmak (Herr über seine Hand, Zunge <strong>und</strong><br />
Lenden sein), wobei Hand für Taten, Zunge für Sprache <strong>und</strong> Lenden für<br />
Sexualität stehen.<br />
Ritus <strong>und</strong> Zeremonien<br />
Das Gebet<br />
Die Aleviten bauen keine Moscheen <strong>und</strong> beten auch nicht in diesen. <strong>Religiöse</strong><br />
Versammlungen (cem) finden im H<strong>aus</strong>e eines Gläubigen o<strong>der</strong> im Gemeindeh<strong>aus</strong><br />
(Cemevi) statt. Seit geraumer Zeit gründen Aleviten immer häufiger alevitische<br />
Kulturhäuser <strong>und</strong> Vereine, in denen auch religiöse Zeremonien (ayin-i cem)<br />
durchgeführt werden. Die bekanntesten sind die Cem-Stiftung in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong>, das<br />
Forschungsinstitut für Alevistudien mit seinem Ableger in Deutschland<br />
(Aachen), <strong>der</strong> Lehrstuhl für Alevistudien an <strong>der</strong> Gazi-Universität in Ankara <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Schrein (Dergah) in Karacaahmet in Istanbul. Ebenfalls nicht unerwähnt<br />
bleiben sollen in diesem Zusammenhang die Fö<strong>der</strong>ation <strong>der</strong> Alevitischen<br />
Kulturvereine in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong>, die Fö<strong>der</strong>ation <strong>der</strong> Alevi-Gemeinden in Europa<br />
(AABF) 3 sowie die inneroppositionelle Fö<strong>der</strong>ation <strong>der</strong> Haci-BektaÕi-Veli-<br />
KulturvereineinDeutschland 4 . Jedoch gilt für die Aleviten immer noch die Regel,<br />
daß man Gott an jedem Ort <strong>und</strong> zu je<strong>der</strong> Zeit anbeten kann <strong>und</strong> daß es dafür<br />
keiner beson<strong>der</strong>en Gotteshäuser bedarf. Traditionell wurden die ayin-i cem in<br />
einem <strong>der</strong> Häuser o<strong>der</strong> Wohnungen, in dem <strong>der</strong> Dede, <strong>der</strong> religiöse Leiter <strong>der</strong><br />
Gemeinde, gerade zu Gast war, abgehalten. Dieses H<strong>aus</strong> bekam für die Zeit <strong>der</strong><br />
ayin-i cem eine sakrale Weihe, die nach dem Ende des ayin-i cem wie<strong>der</strong><br />
aufgehoben wurde. Beson<strong>der</strong>e "Cem-Häuser" gab es traditionell nicht. 5<br />
Historisch wird das damit begründet, daß Ali in einer Moschee ermordet wurde.<br />
Aus Protest gegen diesen drastischen Tabubruch <strong>und</strong> die Respektlosigkeit <strong>der</strong><br />
Sunniten gegenüber diesem heiligen Ort meiden sie die Moschee. Bei den<br />
religiösen Zeremonien wird nicht - wie unter Sunniten üblich - das tägliche<br />
fünfmalige rituelle Gebet vollzogen. Die Zeremonie beginnt mit allgemeinen<br />
Gebeten, die vokal (nefes), instrumental (saz) <strong>und</strong> durch Tanz (semah) begleitet<br />
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