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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Yasemin KarakaÕo—lu-Ayd9n<br />

nun damit begründet, daß <strong>der</strong> Staat ein Monopol auf die Ausbildung im Lehramtsberuf<br />

habe, er könne <strong>der</strong> Referendarin die Zulassung zum Schuldienst für die Dauer des<br />

Referendariats als genuinem Teil ihrer Ausbildung daher nicht verweigern. Nach<br />

Abschluß des Referendariats, das Ludin an <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Hauptschule<br />

Plü<strong>der</strong>h<strong>aus</strong>en/Remstal absolvierte, entschied jedoch das Oberschulamt Stuttgart im Juli<br />

1998, Ludin mit Kopftuch nicht in den Schuldienst einzustellen. Das<br />

Kultusministerium bestätigte diese Entscheidung in seiner Presseerklärung vom 13.<br />

Juli 1998, die im folgenden in Auszügen zitiert werden soll, da ihr Wortlaut deutlich<br />

macht, daß es den politischen Entscheidungsträgern nicht mehr allgemein um die sich<br />

im äußeren Erscheinungsbild <strong>der</strong> Schule <strong>und</strong> <strong>der</strong> Lehrer spiegelnde<br />

Bekenntnisneutralität des Raumes Schule geht, son<strong>der</strong>n daß das spezifische Symbol<br />

Kopftuch einer Begutachtung unterzogen <strong>und</strong> als politisch belastet bef<strong>und</strong>en wird.<br />

Offiziell heißt es, die Entscheidung sei als Folge einer Abwägung <strong>der</strong> Rechte <strong>und</strong><br />

Pflichten von Frau Ludin als Lehrerin an einer öffentlichen Schule <strong>und</strong> <strong>der</strong> Belange <strong>der</strong><br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler <strong>und</strong> ihrer Erziehungsberechtigten getroffen worden.<br />

Berücksichtigt wurde vor allem die "Vorbildfunktion, die sie als Repräsentantin des<br />

Staates innehat" <strong>und</strong> "die innerislamische Diskussion um die Bedeutung des<br />

Kopftuches" (Presseerklärung S.2). Ministerin Schavan stellt unter Bezugnahme auf<br />

solche Diskussionen fest, daß "eine Mehrheit muslimischer Frauen weltweit kein<br />

Kopftuch trägt" <strong>und</strong> daß auch innerislamisch das Kopftuch "als Symbol <strong>der</strong> kulturellen<br />

Abgrenzung <strong>und</strong> damit als politisches Symbol gewertet" werde. Im Tragen eines<br />

religiösen Symbols, das auch als politisches vereinnahmt werden könne, sieht sie die<br />

gegenseitige Toleranz <strong>und</strong> den sozialen Frieden gefährdet. Es müsse die Wirkung, die<br />

von dem Symbol <strong>aus</strong>geht, auf an<strong>der</strong>e Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> eigenen wie an<strong>der</strong>er<br />

Religionsgemeinschaften bedacht werden, sie spielt hier auf die negative<br />

Religionsfreiheit <strong>der</strong> Schülerinnen an, die garantiert sein müsse (Schavan in <strong>der</strong> taz<br />

vom 14. 7.1998). Damit bezieht sie sich auf den Schutz <strong>der</strong> muslimischen Mädchen<br />

<strong>aus</strong> Familien, in denen bislang kein Kopftuch getragen wurde <strong>und</strong>, so Schavan, "die<br />

wie<strong>der</strong> zum Tragen des Kopftuches gezwungen werden <strong>und</strong> damit dazu, sich kulturell<br />

abzugrenzen"(Presseerklärung S. 3). Ihre Entscheidung möchte Schavan selbst daher<br />

verstanden wissen "als Signal an Männer <strong>und</strong> Väter, daß keine Frau <strong>und</strong> keine Tochter<br />

mehr gezwungen wird, ein Kopftuch als Symbol <strong>der</strong> kulturellen Ausgrenzung zu<br />

tragen" (Schavan in Badische Nachrichten, 14.7.1998). Durch die Entscheidung, das<br />

Kopftuch im Schuldienst nicht ablegen zu wollen, mache Ludin deutlich, "daß ihr die<br />

Eignung fehlt, die öffentliche Signalwirkung ihrer persönlichen Entscheidung zu<br />

berücksichtigen"(Presseerklärung S.4). Gleichzeitig betonte die Ministerin, daß es sich<br />

hier um eine Einzelfallentscheidung handle, ein generelles Kopftuchverbot an Schulen<br />

<strong>und</strong> Hochschulen sei "aller Vor<strong>aus</strong>setzung nach verfassungswidrig"(Rheinische Post<br />

vom 14.07.1998). Wie diese Entscheidung des Kultusministeriums in die landespolitischen<br />

Debatten um den Fall einzubetten ist, soll im folgenden eine Analyse<br />

<strong>der</strong> drei Landtagsdebatten, die vor, während <strong>und</strong> nach Ludins Referendariat auf Antrag

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