Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Verortung <strong>der</strong> islamischen Gemeinden im deutschen Umfeld<br />
Said Nursi (gest. 1960). Die europäischen Dachverbände <strong>der</strong> Islamischen<br />
Kulturzentren (VIKZ) <strong>und</strong> die <strong>der</strong> Nurculuk gehen geschichtlich auf diese<br />
Oppositionsstrukturen zurück. In Berlin sind sie mit neun (VIKZ) bzw. zwei<br />
(Nurcu) Moscheen vertreten. Die Arbeit in diesen Moscheen konzentriert sich,<br />
wie nicht an<strong>der</strong>s zu erwarten, auf den religiösen Unterricht, <strong>der</strong> in den VIKZ-<br />
Moscheen auch als Vorbereitung auf das höhere theologische Studium gilt,<br />
dessen <strong>Zentrum</strong> sich in Köln befindet. Das Theologiestudium bereitet schließlich<br />
den Weg für die innere Annäherung an die Transzendenz, die mystische<br />
Erfahrung. Dieser Weg wird durch gemeinsames Gebet angestrebt <strong>und</strong> mit<br />
großer Vorsicht <strong>und</strong> Zurückhaltung gegangen.<br />
Ein an<strong>der</strong>er Teil <strong>der</strong> türkischen religiösen Opposition legte den Akzent auf<br />
soziales Handeln, auf die persönliche Verantwortung des einzelnen sowie auf<br />
die Verbesserung gesellschaftlicher Strukturen. Im Laufe <strong>der</strong> Zeit bildete sich<br />
eine politische Partei her<strong>aus</strong>, die in <strong>der</strong> parlamentarischen Politik vergleichsweise<br />
den Platz einer konservativen christlichen Partei für sich beanspruchte:<br />
die Refah-, jetzt Fazilet-Partisi. Ihre sozial-politische Ausrichtung übte in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit eine Anziehungskraft auf ein buntes Spektrum von ehemaligen<br />
Linken, gemäßigten Islamisten <strong>und</strong> radikalen Weltverbesserern <strong>aus</strong>. Die Organisation<br />
Milli GörüÕ (IGMG) ist als Auslandszweig dieser Partei entstanden<br />
<strong>und</strong> war, durch diese institutionelle Einbindung geprägt, lange Zeit hauptsächlich<br />
auf die türkischen Politik <strong>aus</strong>gerichtet. Dies hat sich jetzt allmählich<br />
geän<strong>der</strong>t. In Berlin zu Beispiel bemüht sich die Islamische Fö<strong>der</strong>ation Berlin<br />
(IFB) seit nunmehr 19 Jahren, durch Gemeinde- <strong>und</strong> Sozialarbeit eine lokale<br />
Infrastruktur zu schaffen, die dem Berliner Kontext gerecht wird <strong>und</strong> den<br />
Mitglie<strong>der</strong>n die Möglichkeit bietet, sich innerhalb ihres Kiezes eine<br />
Sozialstruktur aufzubauen. Zwanzig <strong>der</strong> 26 Vorstandsmitglie<strong>der</strong> gehören<br />
inzwischen <strong>der</strong> zweiten Generation an <strong>und</strong> sehen ihre Zukunft in sozialer,<br />
beruflicher <strong>und</strong> religiöser Hinsicht in Berlin liegen. Auch in Berlin ist die<br />
Mischung <strong>aus</strong> persönlicher Verantwortung, Sozialarbeitermentalität <strong>und</strong><br />
revolutionärem Potential, die diese Spielart des Islam beinhaltet, zu spüren.<br />
Ein gr<strong>und</strong>legen<strong>der</strong> Unterschied zu <strong>der</strong> Organisation in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> ist jedoch,<br />
daß die Ansprüche <strong>und</strong> Lösungen hier nicht in einem nationalen, son<strong>der</strong>n in<br />
einem lokalen Kontext, in dem die Gruppe sich zudem als religiöse Min<strong>der</strong>heit<br />
betrachtet, formuliert werden. Obwohl ein Teil des IFB- Vorstandes ebenfalls<br />
eine führende Position in <strong>der</strong> Berliner IGMG-Organisation bekleidet,<br />
betrachtet sie sich heute als eine deutsch-islamische Organisation mit deutschislamischen<br />
Interessen. Die IFB betreut zwölf Moscheen, in denen die<br />
türkische Herkunft noch spürbar ist. Die Aktivitäten dieser Moscheen<br />
konzentrieren sich eher auf soziale als auf spirituelle Angebote. Man sucht<br />
nach Möglichkeiten, sich zu vernetzen <strong>und</strong> gemeinsam Probleme anzugehen.<br />
Zur Vorbereitung des Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen<br />
Berlins, <strong>der</strong> im September 1999 als Pilotprojekt beginnen soll, hat die IFB seit<br />
135