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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Individualisierung <strong>und</strong> Säkularisierung islamischer Religiosität<br />

sind, <strong>der</strong>en Eltern Arbeitsmigranten <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> sind <strong>und</strong> die dem sunnitischen<br />

Islam angehören.<br />

In diesem Rahmen werde ich mich nur auf jeweils einen Auschnitt von zwei<br />

Interviews beziehen, nämlich auf die Berichte <strong>und</strong> Erzählungen zur Aneignung<br />

des Islam. An diesen Selbstbil<strong>der</strong>n lassen sich sowohl entscheidende<br />

Deutungsmuster im Umgang mit dem Islam ablesen als auch strukturelle Typen<br />

von Religiosität erkennen, die für die abschließende Diskussion, wie sich<br />

Individualisierung <strong>und</strong> Säkularisierung in den religiösen Werdegängen von<br />

Mihriban <strong>und</strong> Ayla zeigen, wesentliche Hinweise geben.<br />

Mihriban - Islamisierung als emanzipatorischer Akt<br />

Mihriban war zum Zeitpunkt des Interviews 20 Jahre alt <strong>und</strong> stand kurz vor<br />

ihrer Abiturprüfung.<br />

Ihre Eltern beschreibt Mihriban als "traditionelle" türkische Muslime. Explizit<br />

religiöses Handeln wurde durch den Vater repräsentiert. Der Vater ging<br />

regelmäßig allein in die Moschee. Nur durch "das Handküssen" bei Verwandtenbesuchen<br />

habe Mihriban realisiert, daß ein muslimischer Festtag ist:<br />

"...also früher war das halt so, daß mein Vater immer in die Moschee gegangen<br />

ist, hat gebetet <strong>und</strong> dann kam er zurück <strong>und</strong> so, aber das hat mich<br />

auch irgendwie aufgeregt, warum durften die Frauen nie zum Gebet, wenn<br />

so ein Fest ist <strong>und</strong> so, weil ich hab' das nie gemerkt. Er kam dann, OK,<br />

dann gingen wir halt zu meiner Tante <strong>und</strong> zu meinem Onkel <strong>und</strong> so, die<br />

Hand küssen <strong>und</strong> sich gegeneinan<strong>der</strong> besuchen."<br />

Im Alter zwischen 6 <strong>und</strong> 14 Jahren besuchte Mihriban auf Geheiß <strong>der</strong> Eltern<br />

einen Korankurs. Dort lernte sie, den Koran arabisch zu rezitieren. In <strong>der</strong><br />

Familie wurde gefastet, aber nicht gebetet. Die Mutter trug ab <strong>und</strong> zu ein<br />

Kopftuch. Der Vater habe sie ab <strong>und</strong> zu zum Beten aufgefor<strong>der</strong>t. Mihriban sei<br />

dem aber nicht nachgekommen, allerdings ohne dies dem Vater offen zu sagen.<br />

Diese Handlungsstrategie, sich ohne eine offene Konfrontation gegen Regeln<br />

des Islam zu wehren, war für sie eine übliche <strong>und</strong> unproblematische Praxis.<br />

Die Erwartung aber, daß Mihriban auch solche Regeln, die ihr Leben<br />

außerhalb <strong>der</strong> Familie beschnitten hätten, einzuhalten habe, habe zu<br />

Spannungen im Elternh<strong>aus</strong> geführt <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s zu ihrer negativen<br />

Einstellung dem Islam gegenüber. So erzählt sie, daß sie als Mädchen abends<br />

gerne mit ihren Fre<strong>und</strong>innen <strong>aus</strong>gegangen wäre <strong>und</strong> das Verbot, das die Eltern<br />

dazu <strong>aus</strong>sprachen, als eine ungerechte islamische Regel verstand:<br />

"Abends durfte ich auch nie r<strong>aus</strong>. Und danach, ich weiß nicht, es war halt<br />

immer dieser Kompromiß da in mir, ... also ich hab dann immer gedacht:<br />

Ah Scheiß Islam, <strong>und</strong> so, ja echt. Immer dieser Islam, <strong>der</strong> muß mir alles<br />

einbrocken <strong>und</strong> so."<br />

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