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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Individualisierung <strong>und</strong> Säkularisierung islamischer Religiosität<br />

für die Umstände einer Begegnung als zuträglich empfindet, läßt sie das<br />

Kopftuch auch schon einmal weg: So hat sie bei einem Schulpraktikum nicht<br />

von <strong>der</strong> ersten St<strong>und</strong>e an das Tuch angelegt. Sie hätte dies damit begründet,<br />

daß die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler sich so langsam an sie gewöhnen könnten,<br />

berichtete mir eine Lehrerin, die in dieser Schule arbeitete.<br />

Entsprechend ihrem eher distanzierten Verhältnis zu rituell <strong>und</strong> dogmatisch<br />

bestimmten Ausdrucksformen des Islam <strong>und</strong> ihrer <strong>der</strong>zeitigen Fre<strong>und</strong>schaft zu<br />

einem Nicht-Türken <strong>und</strong> Nicht-Muslim plant Ayla ihre Zukunft auch nicht im<br />

Rahmen eines islamisch dominierten Milieus. Sie möchte entwe<strong>der</strong> als Lehrerin<br />

arbeiten o<strong>der</strong> in einem Kulturzentrum einmal Töpfer- o<strong>der</strong> Malkurse anbieten.<br />

Konklusion - Individualisierung <strong>und</strong> Säkularisierung islamischer<br />

Religiosität<br />

Beide Fallbeispiele zeigen eine jeweils eigene individuelle Dynamik <strong>der</strong> Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Religiosität auf. Diese unterschiedlichen Entwicklungen sind<br />

m.E. mit dem Hinweis auf die Pluralität des Islam in Deutschland nicht<br />

hinreichend erklärt. Denn die unterschiedlichen religiösen Deutungsmuster <strong>und</strong><br />

Typen von Religiosität, die die beiden Frauen entwickelt haben, sind nicht auf<br />

die Rezeption unterschiedlicher Ideensysteme zurückzuführen, in die sie<br />

beispielsweise schon durch ihre Eltern eingeführt wurden. Die Frauen<br />

übernehmen nicht etwa unterschiedliche Traditionsstränge o<strong>der</strong> entwerfen<br />

selbst neue theologische Ideensysteme, son<strong>der</strong>n suchen nach einer sinnvollen<br />

Einbettung des Islam in ihre jeweils beson<strong>der</strong>e lebensgeschichtliche Problem-<br />

<strong>und</strong> Interessenlage. Wie die Selbstbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> beiden Frauen zeigten, sahen sie<br />

sich vor das Problem gestellt, daß <strong>der</strong> Islam in <strong>der</strong> traditionellen Form, so wie<br />

ihn ihre Eltern lebten, für sie keine Bedeutung bekommen konnte bzw. keine<br />

Deutungen für ihr Leben bereitstellte. Im Gegenteil empfanden beide den<br />

Islam zunächst als Hin<strong>der</strong>nis für ihre weitere Entwicklung, insbeson<strong>der</strong>e wenn<br />

es um die Frage <strong>der</strong> Geschlechtsrollen ging.<br />

Nun läßt sich zunächst allgemein sagen, daß die Frauen vor <strong>der</strong> Entscheidung<br />

standen, den "traditionellen" Islam ihrer Eltern entwe<strong>der</strong> als ein mögliches<br />

Deutungsmuster für ihr Leben zu akzeptieren o<strong>der</strong> ihn zu verwerfen.<br />

Letzteres hätte für Mihriban sicherlich den radikalen Bruch mit ihren Eltern<br />

bedeutet <strong>und</strong> wäre von daher schwierig für sie gewesen. Beide Frauen haben<br />

aber schon in <strong>der</strong> Schule die Erfahrung gemacht, daß ihre Religion etwas ist,<br />

was ihnen - quasi ohne ihr Zutun - von <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft zugeschrieben<br />

wird <strong>und</strong> dem sie sich auch von dieser Seite kaum positionslos entziehen<br />

können. Die Zerstörung des Deutungsmusters "traditioneller Islam" führt schon<br />

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