Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...
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Georges Tamer<br />
Rolle bei <strong>der</strong> sozialen Integration von Auslän<strong>der</strong>n spielt, eingehende Untersuchung,<br />
wofür <strong>der</strong> gegenwärtige Rahmen zu eng ist.<br />
Die positive Einstellung zur Integration bedeutet für diese Menschen dennoch<br />
nicht die Preisgabe von sozialen Gewohnheiten, die in ihrer Tradition<br />
verankert sind. In diesem Sinne achten die Eltern darauf, daß ihre Kin<strong>der</strong><br />
tradierte Gewohnheiten lernen <strong>und</strong> praktizieren. Es wird weiterhin ein großer<br />
Wert darauf gelegt, daß die orientalische Lebensweise <strong>der</strong> Familie<br />
aufrechterhalten bleibt. So treffen sich die Geschwister samt ihren Familien<br />
mehrfach in <strong>der</strong> Woche <strong>und</strong> persönliche Anlässe wie Geburts-, Namens- <strong>und</strong><br />
Hochzeitstage werden zu Ereignissen in <strong>der</strong> Großfamilie. Der Wille,<br />
mitgebrachte soziale Strukturen hier weitgehend zu behalten, wurde bereits an<br />
dem Wunsch nach einem Dorf illustriert <strong>und</strong> deutet auf Identitätsbewahrung<br />
hin. Dies darf allerdings nicht den täuschenden Eindruck erwecken, daß die<br />
Bewahrung von traditionellen orientalischen Werten unter dem starken Druck<br />
<strong>der</strong> Notwendigkeit, sich den Normen <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft anzupassen,<br />
frei von Spannungen verlaufen kann. Diese sind am deutlichsten im Falle <strong>der</strong><br />
Jugend zu beobachten. Daher hängen massive Erwartungen in den Gemeinden<br />
an einer effektiven Jugendarbeit, die durch die Herstellung eines mit <strong>der</strong> zu<br />
bewahrenden Lebensweise kompatiblen jugendlichen Umfelds zum Abbau <strong>der</strong><br />
Spannungen in hohem Maße beitragen kann.<br />
Im Einklang mit <strong>der</strong> langen Tradition <strong>der</strong> rum-orthodoxen Kirche pflegen<br />
ihre Angehörigen in Deutschland gute Beziehungen zu ihren muslimischen<br />
Landsleuten. Die Erfahrung des Zusammenlebens mit Muslimen in <strong>der</strong> Heimat<br />
prägt die Haltung zum Islam in Deutschland <strong>und</strong> kennzeichnet sie durch<br />
Offenheit <strong>und</strong> Dialogfähigkeit. Diese offene Haltung dem Islam wie den<br />
Muslimen gegenüber kann u. a. geschichtlich erklärt werden, insofern die<br />
Rum-Orthodoxen den real gewordenen Islam <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Nähe wahrgenommen<br />
haben <strong>und</strong> dementsprechend dessen Realität sehr früh aufgeschlossen<br />
entgegengekommen sind.<br />
Es ist in diesem Zusammenhang weiterhin bemerkenswert, daß die Rum-<br />
Orthodoxen <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> in Deutschland ökumenisch aufgeschlossen sind.<br />
Einige von ihnen vertreten ihre Kirche in ökumenischen regionalen <strong>und</strong> überregionalen<br />
Gremien. Die aktive Teilnahme an ökumenischen Gottesdiensten<br />
<strong>und</strong> Veranstaltungen gehört nunmehr zum Jahresplan je<strong>der</strong> rum-orthodoxen<br />
Gemeinde in Deutschland <strong>und</strong> beruht auf fest verankerter ökumenischer<br />
Überzeugung. Insofern die Rum-Orthodoxen ihre kirchliche Zugehörigkeit<br />
allerdings als selbstverständlich <strong>und</strong> unreflektiert begreifen, fällt es ihnen<br />
dabei schwer, die theologischen Unterschiede unter den Kirchen zu verstehen,<br />
geschweige denn als Gr<strong>und</strong> zur Trennung anzuerkennen. Demnach ist man an<br />
dieser Stelle dazu geneigt, wenn auch halb im Ernst zu behaupten, daß die in<br />
<strong>der</strong> Ökumene ersehnte Herstellung <strong>der</strong> Einheit unter den Kirchen erst möglich