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Kern und Rand. Religiöse Minderheiten aus der Türkei - Zentrum ...

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Gaby Straßburger<br />

<strong>aus</strong>gehen, daß es den Eltern, die einen Partner <strong>aus</strong> dem Herkunftsort bevorzugen,<br />

nicht so sehr um den Wohnort an sich geht, son<strong>der</strong>n vielmehr darum, die<br />

Beziehungen zu den dort lebenden Verwandten <strong>und</strong> Bekannten aufrecht zu<br />

erhalten. Eheschließungen gelten in diesem Sinn als ein Mittel, das <strong>der</strong><br />

Vertiefung bestehen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Knüpfung neuer Allianzen dient.<br />

Hingegen sind die interviewten Vertreter <strong>der</strong> zweiten Generation an <strong>der</strong><br />

Aufrechterhaltung dieser Herkunftsbeziehungen weit<strong>aus</strong> weniger interessiert.<br />

Am stärksten scheinen noch diejenigen ein eigenes Interesse daran zu hegen, die<br />

planen, in die <strong>Türkei</strong> zurückzukehren. Ansonsten erhält man den Eindruck, daß<br />

in den letzten Jahren eine Präferenzverschiebung innerhalb <strong>der</strong> zweiten<br />

Generation stattfand, die sich vermutlich damit erklären läßt, daß es sich bei<br />

denjenigen, die Mitte <strong>der</strong> neunziger Jahre heiraten, in zunehmendem Maß um<br />

Personen handelt, die in Deutschland geboren sind <strong>und</strong> nie in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> gelebt<br />

haben, so daß sie einen an<strong>der</strong>en Bezug zum Herkunftsort ihrer Familie haben als<br />

diejenigen, die ihre Kindheit <strong>und</strong> Teile ihrer Jugend dort verbracht haben. In den<br />

achtziger Jahren stellte dagegen die Kulturanthropologin Anita Böcker (1994a;<br />

1994b; 1995a; 1995b) in Nijmegen fest, daß die "Zwischengeneration", die als<br />

Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Jugendliche mit ihren Eltern in die Nie<strong>der</strong>lande migriert war,<br />

<strong>aus</strong>schließlich Partner <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> geheiratet hatte, wobei <strong>aus</strong> Böckers<br />

Ausführungen hervorgeht, daß es sich dabei in erster Linie um Verwandte <strong>und</strong><br />

Bekannte <strong>aus</strong> dem Herkunftsort handelt.<br />

Auch die Partnerwahl von Kibriyes ältestem Bru<strong>der</strong> ist typisch für das Heiratsverhalten<br />

dieser spät eingewan<strong>der</strong>ten zweiten Generation. Er hat bis zu<br />

seinem dreizehnten Lebensjahr in <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> gelebt <strong>und</strong> später seine Cousine<br />

geheiratet, die er vermutlich schon als junges Mädchen gekannt hat.<br />

Es fällt auf, daß sich nicht nur bei den jüngeren Vertretern <strong>der</strong> zweiten Generation<br />

Verschiebungen <strong>der</strong> Partnerpräferenzen beobachten lassen, son<strong>der</strong>n daß<br />

auch in <strong>der</strong> ersten Generation Verän<strong>der</strong>ungen zu konstatieren sind, die auf eine<br />

nachlassende Bedeutung <strong>der</strong> Herkunftsbezüge schließen lassen. So wurde<br />

mehrmals berichtet, daß Eltern nur bei den älteren Kin<strong>der</strong>n eine Ehe mit einem<br />

Partner <strong>aus</strong> dem Herkunftsort arrangierten, während sie, als weitere Kin<strong>der</strong> ins<br />

Heiratsalter gekommen waren, davon bereits Abstand genommen hatten. Dieses<br />

Muster ist auch in dem geschil<strong>der</strong>ten Fallbeispiel zweimal anzutreffen. Sowohl<br />

in Kibriyes als auch in Kenans Familie haben jeweils die ältesten Söhne eine<br />

Cousine <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> geheiratet, während für die zweitältesten Söhne in <strong>der</strong><br />

Migrantenbevölkerung nach einer Frau gesucht, <strong>und</strong> damit von einer<br />

Eheschließung innerhalb <strong>der</strong> Dorfgemeinschaft abgesehen wurde.<br />

Eine weitere Entwicklung ist in einem von AyÕe Ça—lar (1995: 319) geschil<strong>der</strong>ten<br />

Fall impliziert, in dem Migranten für ihre Kin<strong>der</strong> eine Ehe mit Nachbarn<br />

<strong>aus</strong> dem Ferienort an <strong>der</strong> türkischen Westküste arrangieren. Auch hier zeigt sich<br />

eine Verschiebung von Wertigkeiten, die eine zunehmende Distanz zur

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