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pdf-Version - Klaus Kunze

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parlamentarisch regierter Staaten aufstellen. Ein anschauliches Bild davon, was<br />

auch in der angeblichen westlichen Wertegemeinschaft unter einer<br />

parlamentarischen Regierung 1945-1949 in Belgien möglich war, vermittelt<br />

Reißmüller: "Zur Repression der Nachkriegsjahre gehörte unter vielem anderen<br />

folgendes: Frauen und Kinder von Beschuldigten wurden im Vollzug von Sippenhaftung<br />

eingesperrt. In den Gefängnissen und Lagern - sogar ein von den<br />

Deutschen errichtetes und betriebenes Konzentrationslager führte man mit neuen<br />

Häftlingen weiter - wurde gefoltert, getötet. Unzählige Strafverfahren<br />

sprachen jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn; sie wurden im Blitztempo geführt, der<br />

Angeklagte wurde nicht gehört, die Verteidigung behindert, Entlastungszeugen<br />

wurden bedroht[...]. Zehntausende Personen kamen ohne strafrechtlichen Vorwurf<br />

in Haft. [...]. Ein anderes Kapitel damaligen Staatsunrechts war das<br />

Geschehenlassen von Terror, den nach der Befreiung wirkliche oder falsche<br />

Widerständler übten. In jenen Monaten haben entfesselte einzelne und Gruppen<br />

gemordet, gefoltert, verschleppt, vergewaltigt, geraubt; Polizei und Strafjustiz<br />

schauten weg oder zu." 366<br />

Die kühne Behauptung der Liberalen, ihr Parlamentarismus sei die einzige<br />

Staatsform, die Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten garantieren könne,<br />

ist also durch vielfache historische Erfahrung widerlegt. Da diese Menschenrechte<br />

als "Naturrechte" zur Summe aller vorpositiven Rechtsnormen gehören,<br />

werden sie ausdrücklich für gegen das staatliche Recht verbindlich erklärt und<br />

können weder begriffliche Merkmale der Demokratie noch des Parlamentarismus<br />

oder irgendeiner anderen bestimmten Staatsform sein. Keine bestimmte<br />

Regierungsform allein garantiert also Humanität oder Menschenrechte. Daher<br />

"bekennt sich" das Grundgesetz zu den vorstaatlichen Grundrechten und<br />

begründet sie nicht erst. Für den Parlamentarismus sind Freiheitsrechte der Bürger<br />

gegen den Staat zwar auch grundlegend; jedoch nicht als Ausdruck der allgemeinen<br />

oder unveränderlichen Natur des Menschen, 367 sondern rein funktional<br />

auf das parlamentarische System bezogen. Der primäre Sinn des ganzen Systems<br />

von Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit hatte darin bestanden,<br />

den für das Funktionieren des Parlamentarismus nach der liberalen Idee konstitutiven<br />

Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung zu gewährleisten, 368 in dem<br />

366 Johann Georg Reißmüller, FAZ 10.5.1994.<br />

367 Stein, Verfassungsgerichtliche Interpretation der Grundrechte, S.83.<br />

368 Stein a.a.O. S.84; Carl Schmitt, Die geistesg. Lage, S.62 f., 43; Zu dieser "funktionalen<br />

Grundrechtstheorie" vgl. Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat; Krüger, Allgemeine<br />

Staatslehre, S.542 f.; Ridder, Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, S.85 ff., 94 ff.

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