pdf-Version - Klaus Kunze
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Versprechen der Demokratie entspricht." 560 Gerade vielen linken Demokraten<br />
erscheint ein Plebiszit allemal einleuchtender als eine vom Volke abgehobene<br />
Repräsentation. Das Plebiszit ist die Achillesferse des Parlamentarismus, und<br />
das wissen seine politischen Strategen sehr genau. Nicht umsonst stoßen alle<br />
plebiszitären Forderungen überall dort auf erbitterten Widerstand, wo die CDU<br />
das Sagen hat. Für drohenden Machtverlust hat man im Konrad-Adenauer-Haus<br />
eine ausgezeichnete Nase. CDU-Vordenker und unionsnahe Verfassungsrechtler<br />
sprechen sich regelmäßig gegen jeden Ansatz zu plebiszitären Lösungen<br />
aus. So hat der Bonner Professor Isensee seinen Carl Schmitt 561 gut gelesen,<br />
wenn er im Grundsatzmagazin der Konrad-Adenauer-Stiftung erkennt: "Schon<br />
die offizielle Einleitung einer Volksabstimmung führt dazu, der geltenden<br />
Verfassung Legitimation zu entziehen." 562 Recht hat er! Aber genau das ist notwendig,<br />
weil das Bonner Postenverteilungskartell, dem Isensee nahesteht, seine<br />
innere Legitimation und seine äußere Legitimität aus eben diesem Verfassungs-<br />
und Gesetzgebungssystem zieht und nur durch dessen Änderung gesprengt werden<br />
kann. Ebenso wie Isensee argumentiert sein Kölner Kollege Hartmut Schiedermair:<br />
Plebiszite mit ihrem genau einkalkulierten Konflikt zwischen Volk<br />
und Parlament seien geeignet, das parlamentarische System zu schwächen. 563<br />
Das Repräsentationssystem beruht auf einem tiefsitzenden Mißtrauen der<br />
Regierenden gegenüber dem Volk. Ihm mißtrauten schon die Schöpfer des<br />
Grundgesetzes 1949 und vermieden absichtlich jedes unmittelbare Entscheidungsrecht,<br />
weil sie das Volk auch nach dem Zusammenbruch des 3. Reiches<br />
noch nationalsozialistischer Neigungen für fähig hielten. Gerade linksliberale<br />
Fundamentalisten halten heute noch das Volk für durchaus unsichere<br />
Kantonisten: So gestand 1991 der Kieler SPD-Politiker Norbert Gansel der<br />
britischen Zeitung The Spectator, seine persönliche Philosophie beruhe auf<br />
einem Element des Mißtrauens gegenüber den Deutschen, die er vertrete, weil<br />
ihre Väter und Großväter Hitler möglich gemacht hätten. 564 Obwohl dieses<br />
Grundmotiv bis heute überall hinter vorgeschobenen Scheinargumenten erfühlbar<br />
ist, wird es selten so offen zugegeben. Vielmehr versucht man, Plebiszite<br />
mit den üblichen, keinen Widerspruch duldenden Stereotypen aus dem<br />
Handbuch der Bewältigungspädagogik madig zu machen. So gehören Volks-<br />
560 Elisabeth Noelle-Neumann, Die Deutschen und der Staat, FAZ 11.1.1995.<br />
561 Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, S.22 f.<br />
562 Isensee, Die künstlich herbeigeredete Verfassungsdebatte, S.14.<br />
563 Schiedermair, Hände weg vom Grundgesetz! S.17 ( 20).<br />
564 Schiedermair a.a.O.; Isensee, a.a.O.