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pdf-Version - Klaus Kunze

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Historisch war die Forderung derjenigen sozialen Schichten, die keinen Anteil<br />

an der Macht hatten, auf eine Trennung von Staat und Gesellschaft und war<br />

ihre weitere Erwartung, der Staat möge sie vor der Macht der Herrschenden<br />

schützen, eine altliberale Forderung. 196 Sie wird immer aktuell sein, wo<br />

herrschende Schichten oder Eliten Staat und Gesellschaft in ihrer Hand haben<br />

und miteinander verschmelzen lassen. Wer die Hebel von Staat und Gesellschaft<br />

gleichermaßen bewegen und steuern kann, hat an ihrer Trennung kein Interesse.<br />

Die Forderung nach einer Trennung war historisch stets eine<br />

Kampfansage der Machtlosen gegen die Mächtigen und ist das noch heute.<br />

Die Trennung von Staat und Gesellschaft ist eine genuin liberale Forderung,<br />

die aus dem typologische Merkmal des liberalen Balancedenkens zwingend<br />

folgt. Daher wird sie bis heute von der radikal-liberalen Politiktheorie vertreten.<br />

197 Aber auch ohne die im Kern metaphysische Begründung liberalen<br />

Balancedenkens ergibt sich empirisch aus anthropologischer Sicht, daß zwei<br />

antagonistischen menschlichen Bedürfnissen auch im Rahmen einer Staatskonstruktion<br />

Rechnung getragen werden muß. Weil der Mensch Gemeinschaftswesen<br />

und Individualist ist, kann eine an allgemeinmenschlichen<br />

Grundbedürfnissen orientierte Politiktheorie nicht ohne Trennung von Staat<br />

und Gesellschaft auskommen: Das Staatliche hat die Aufgabe, die individuelle<br />

Freiheit und die gesellschaftliche Existenz selbst nachhaltig zu schützen. So<br />

begründet braucht sich die Forderung nach einer Trennung von Staat und Gesellschaft<br />

nicht den Vorwurf machen zu lassen, sie sei selbst Liberalismus.<br />

Die Oberhoheit des Staats gegenüber den Machtgelüsten gesellschaftlich<br />

Mächtiger und damit die Grundbedingung menschlicher Freiheit zu wahren,<br />

erfordert ein ständiges Ringen um die nötige Neutralität. In Sternstunden staatlicher<br />

Tätigkeit des 19.Jahrhunderts soll dieses Ideal der Legende nach fast verwirklicht<br />

worden sein. Es war die hohe Zeit bürgerlichen Selbstbewußtseins<br />

unter dem Dach monarchischer Staatsauffassung. Der Staat hatte seine sinnfällige<br />

Verkörperung im Königtum gefunden, und die Gesellschaft die ihre im Parlament.<br />

Die Regierung des Königs war an die Gesetze gebunden, die sich die<br />

196 Vgl. im einzelnen Kondylis, Konservativismus, S.34 mit Hinweis auf Kaltenbrunner, Der<br />

schwierige Konservatismus, S. 18; dieser formuliert als "konservative" Position in altliberaler<br />

Manier des 19. Jahrhunderts: "Die formelle, abstrakte und bürgerliche Freiheit ist die Freiheit<br />

schlechthin." In den 20er und frühen 30er Jahren wurde die Forderung nach einer Trennung von<br />

Staat und Gesellschaft auch von sogenannten 'Jungkonservativen' im Anschluß an Lorenz von<br />

Stein wiederbelebt, vgl. Nachweise bei Kondylis, Konservativismus, S.487 ff., 489 f.<br />

197 Habermas, Faktizität und Geltung, S.215.

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