pdf-Version - Klaus Kunze
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sollen wir unter die Arme greifen, so wie früher im Ostblock weltweit der Sozialismus<br />
wechselseitig gestärkt wurde.<br />
Die Gretchenfrage ist immer die, ob ein System von Verfassungsregeln und<br />
Rechtsnormen dem Menschen - welchen Menschen? - dienen soll oder der<br />
Mensch einem System. "Der Maßstab des Rechts ist nicht der absolute der<br />
Wahrheit, [...] sondern der relative des Zwecks." 23 Regelsysteme haben keine<br />
Würde, sondern nur eine dem Menschen dienende Aufgabe. Ihr Zweck ist es,<br />
den Menschen, die sich ihrer bedienen, größtmöglichen Vorteil zu ermöglichen.<br />
Daher muß jede Staats- und Regierungsform sich immer wieder neu für diejenigen<br />
Menschen bewähren, die sich ihrer in einer konkreten historischen Lage bedienen.<br />
Keine normative Regel kann sich an sich selbst legitimieren. 24 Sie<br />
beruht ausschließlich auf dem existentiellen Willen dessen, der sie zu seinem<br />
Nutzen erläßt.<br />
Gesetzes- und Verfassungssysteme sind nicht verkörperte religiöse oder<br />
sittliche Ideale, sondern je nach Bedarf wechselnde Einrichtungen zur Erreichung<br />
irdischer Zwecke. 25 Allein diese zweckbezogene Betrachtung politischer<br />
Ordnungsvorstellungen eröffnet den nüchternen Blick auf die Doppelfunktion<br />
jeder Systembildung: Je nach innerem Zustand eines Staatswesens vermag<br />
dieses bei äußeren Gefährdungen größere oder geringere Gegenkräfte zu mobilisieren.<br />
Man kann politische Ordnungssysteme aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt<br />
betrachten, daß ein Volk insgesamt sich eines Systems von Rechtsregeln<br />
zur Sicherung seiner inneren Wohlfahrt und äußeren Sicherheit bedient.<br />
Auch innerhalb des Volkes gibt es Interessengruppen, die zur Absicherung<br />
ihrer innergesellschaftlichen Macht ein "System" errichten und verteidigen. 26<br />
Zum System in diesem Sinne gehören neben dem rein faktischen Herrschaftsinstrumentarium<br />
alle konkreten Gesetzes- und Verfassungsbestimmungen, deren<br />
sich die Gruppe zur Erhaltung ihrer Macht bedient.<br />
Schon in ihrem geistigen Vorfeld benötigen diese menschlichen Regelwerke<br />
eine tiefere metaphysische Rechtfertigung, die sich im Fundus der Geistesgeschichte<br />
für jede beliebige Herrschaft unschwer finden läßt. Das "belebende<br />
Prinzip jeder Regierung", ihre "Grundlage" und ihr "Widerhalt", ist der feste<br />
Glaube der Regierten an ein "Ganzes von anerkannten Doktrinen." 27 Jede Welt-<br />
23 Ihering, Der Zweck im Recht, 1.Aufl. I 1877, II 1884.<br />
24 Carl Schmitt, Verfassungslehre, S.90.<br />
25 De Lagarde, Deutsche Schriften, S.138 (S.323 ff. der Gesamtausg. von 1903).<br />
26 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, S.66 nach Thomas Hobbes.<br />
27 Romieu, Der Caesarismus, S.38.