pdf-Version - Klaus Kunze
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tation des Volks als Ganzem gegenüber seinen Teilen und ihren Sonderinteressen<br />
verzichten. Daher kann eine Repräsentation ohne Berücksichtigung und<br />
Vertretung des Volks als übergreifendem Bezugspunkt ihrer Natur nach nicht<br />
demokratisch sein. 611 "Die Regierung ist in erster Linie bestrebt, ihr<br />
Regierungsprogramm und damit die politischen Vorstellungen der hinter ihr<br />
stehenden Parteien zu verwirklichen. [...] Die Parteien wieder werden nur von<br />
Teilen des Volkes gebildet und müssen nach den Intentionen dieser Teile<br />
agieren." 612<br />
Sie erklären dagegen gern, mit der Wahl habe sich doch der Wille "des Volkes"<br />
gezeigt, ihnen bis zur nächsten Wahl "freie Hand" zu lassen. Sie seien nun<br />
einmal der klügste und fortschrittlichste Teil des Volkes. Die anderen machten<br />
es schließlich ebenso, das sei nun einmal der Pluralismus. "Hinter diesen<br />
Erklärungen steht eine Auffassung von 'Volk', die im demokratischen Staat gar<br />
nicht existieren dürfte. Was sie bewirkt, ist die 'Parteienherrschaft', 'Gruppenherrschaft'<br />
oder 'Mediokratie', wie sie von niemandem gewünscht oder gebilligt<br />
wird. Was dagegen Grundlage des demokratischen Denkens bilden müßte, wäre<br />
eine aus der Tiefe des Bewußtseins stammende Liebe und Bejahung des Volkes<br />
als eines vertrauenerweckenden, richtig denkenden und handelnden<br />
Ganzen." 613 Es bedarf daher neben dem Bundestag als gesellschaftlichem Repräsentationsorgan<br />
einer weiteren, im Wortsinne demokratischen, also auf den<br />
Demos, das ganze Volk in seiner Totalität bezogenen Repräsentation.<br />
In diesem Zusammenhang wandte sich der Bundesverfassungsrichter<br />
Böckenförde mit Recht gegen die einseitige Ansicht, unmittelbar Ideen, Werte<br />
oder einen abstrakten Gemeinwohlbegriff als Bezugspunkt der Repräsentation<br />
heranzuziehen: Will diese demokratisch sein, kann sie nicht losgelöst werden<br />
von ihrem Bezugspunkt, dem Volk; und zwar nicht irgendeinem idealen oder<br />
hypothetischen, sondern dem wirklich existierenden Volk. 614 Ohne ein auf das<br />
repräsentierte Volk insgesamt bezogenes Amtsverständnis des Repräsentanten<br />
wäre ein Handeln des Bundespräsidenten demnach von vornherein undemokratisch.<br />
Eine vom konkreten Volk losgelöste, rein formale, also nur auf abstrakte<br />
Verfassungsnormen bezogene Repräsentation kann den ihr unterworfenen Menschen<br />
weder die Frage nach dem Sinn dieser Verfassung beantworten, noch<br />
611 Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, S.21.<br />
612 Rother, Die Art, mit Souveränen umzugehen, ZRP 1994, 173 (174).<br />
613 Rother, ZRP 1994, 174.<br />
614 Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, S.22.; ähnlich Isensee, Staatsrepräsentation<br />
und Verfassungspatriotismus, S.276.