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pdf-Version - Klaus Kunze

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an den Gott der Demokratie glaubt, rettet man ihn mit einem semantischen<br />

Trick: So bezeichnet Roman Herzog den Parlamentarismus einfach als "offene<br />

Demokratie", wohingegen er die eigentliche Demokratie im Sinne ihrer frühneuzeitlichen<br />

Theoretiker wie Pufendorf und Protagonisten wie Rousseau mit<br />

dem Bannwort "totalitäre" Demokratie in den Orkus verbannt. 13 So kann man<br />

das eigene System weiter unter der geweihten Fahne Demokratie segeln lassen,<br />

ohne - eingestandenermaßen - eine solche zu haben, und wenn jemand keck zu<br />

fragen wagt, wo denn die Identität von Herrschern und Beherrschten und damit<br />

die erhoffte Aufhebung der Herrschaft des Menschen über den Menschen bleibe,<br />

kann man ihm einfach antworten: So wörtlich sei das mit der Demokratie ja<br />

nicht gemeint gewesen!<br />

Die absolute Demokratie muß sich in Herzogs Grundgesetzkommentar überdies<br />

den berechtigten und entlarvenden Zusatz "totalitär" gefallen lassen: Die<br />

buchstäbliche Herrschaft des Volks über sich selbst, mag sie auch utopisch<br />

sein, würde nämlich jedenfalls eine gewisse Homogenität des Volkes und seines<br />

Willens voraussetzen, was zwangsläufig diejenigen zu Feinden des "wahren<br />

Volkswillens" stempelt, die abweichender Meinung sind. Ein einheitlicher<br />

Volkswille wird von demokratischen Theoretikern wie Rousseau seit der Aufklärung<br />

übereinstimmend fingiert, weil das Gedankenkonstrukt der Herrschaft<br />

des Volks insgesamt als Regierungssubjekt anders gar nicht denkmöglich ist.<br />

Von ihm führt eine direkte gedankliche Ahnenreihe selbstberufener Interpreten<br />

des Volkswillens über Robespierre, Marx und Lenin zu Stalin und seinen Todeslagern.<br />

Alle forderten die fiktive demokratische Homogenität praktisch ein<br />

und vollstreckten den von ihnen erkannten, wahren Willen des Volks als seine<br />

Avantgarde. Der Jakobinismus des richtigen Bewußtseins und sein eingebildeter<br />

Einklang mit einem Willen des Volkes eignen sich vorzüglich zur Legitimation<br />

gewaltsamer Homogenisierung und damit Liquidierung alles dem wahren<br />

Volkswillen Entgegenstehenden und Abweichenden, weshalb Herzog die absolute<br />

Demokratie mit ehrlichem Abscheu und flinkem Etikettenwechsel überhaupt<br />

nicht mehr mit dem edlen Ausdruck Demokratie bezeichnen möchte. 14<br />

Wie man heute das ursprüngliche, identitäre Demokratiekonzept auch nennen<br />

mag: Ihm wohnt eine die Freiheit gefährdendes Tendenz inne, und es muß<br />

notwendig in eine jakobinische Diktatur münden. 15<br />

13 Roman Herzog, M.-D.-H. Art.20, I. Rdn.41; V. Rdn.12.<br />

14 Roman Herzog, in: M.-D.-H, Art.2O, I. Rdn.40 f.<br />

15 Unverständlicherweise behauptet Armin Pfahl-Traughber, Kulturrevolution von rechts, in:<br />

MUT Nr.351 v.Nov.1996, S.36 ff (53), dieses Buch laufe "auf eine Ablehnung des Parlamen-<br />

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