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pdf-Version - Klaus Kunze

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und staatlichen Institutionen mit ihren Eigengesetzlichkeiten zu. Hier kommt -<br />

im Gegensatz zum Liberalismus - der Gemeinschaft der Vorrang vor dem Einzelnen<br />

zu; er ist ihr teils untergeordnet, teils eingeordnet. 191 Somit führt die<br />

Auflösung der Dialektik von Staat und Gesellschaft zugunsten des Staates zur<br />

Verstaatlichung der Gesellschaft und zur Wiederkehr eines Staatsabsolutismus.<br />

Und vor der anderen Möglichkeit der Vergesellschaftung des Staates warnt<br />

Lorenz von Stein, indem er am Endpunkt dieses Prozesses den "Tod der Gemeinschaft"<br />

sieht: "Es gibt keine vollendeten Völker, aber es gibt wohl tote<br />

Völker. Das sind diejenigen, in denen es keinen Staat mehr gibt [...], in denen<br />

die Staatsgewalt absolut in den Händen der Gesellschaft ist." 192<br />

Das Mittelalter hatte eine Trennung von Staat und Gesellschaft nicht gekannt:<br />

In der eigentümlichen Form des Lehnsstaats, des sog. Feudalismus, war<br />

alles "Gesellschaft". Zwischen König und Vasall, Vasall und Untervasall bis<br />

hin zum fronenden Bauern waren alle Rechtsverhältnisse rein personaler Natur<br />

und endeten mit dem Tode ihrer Träger. Die Lehnspyramide war ein Rechtsgefüge,<br />

das auf Verpflichtungen zwischen Personen beruhte. Ein "Staat" war<br />

nicht vorgesehen. Nach der Krönung eines Königs in Deutschland hatten die<br />

Reichsstädte nichts Eiligeres zu tun, als diesem seine persönliche Bestätigung<br />

ihrer Rechte und Freiheiten abzubitten. Was gingen ihn auch die Versprechungen<br />

seines Vorgängers an? Ein Staat als überpersönliche Rechtsfigur im<br />

abstrakten Sinne wie heute existierte nicht. Für jeden einzelnen hatte das die<br />

praktische Konsequenz, daß er in einen hierarchischen Gesellschaftsaufbau<br />

streng eingebunden blieb. Im Normalfall hatte er keine Chance, seinem<br />

Geburtsstand zu entkommen. Niemand schützte den fronenden Bauern vor der<br />

Willkür seines Grundherrn, und wer gegen die Übermacht eines anderen Schutz<br />

benötigte, konnte den nur in eigener Kraft finden oder sich einer mächtigen<br />

Gruppe anschließen, die ihn schützen sollte. So schloß man sich zu sozialen<br />

Verbänden zusammen und wurde Bürger einer Stadt, Kaufmann in einer Gilde<br />

oder auch Räuber in einer Bande. In diesen gesellschaftlichen Teilgruppen fand<br />

der einzelne Schutz, aber um den Preis der Unterordnung. Freiheit im Sinne der<br />

heutigen Grundrechte, Bürgerrechte oder die Sicherheit einer privaten Existenz<br />

in unserem Sinne gab es nicht.<br />

Die Neuentdeckung des Staates im Sinne der antiken Res publica war die<br />

Leistung der frühen Neuzeit. Er wurde als vom persönlichen Herrscher unabhängig<br />

und immerwährend vorgestellt und bildete eine abstrakte, weil nicht<br />

191 Stein, Verfassungsgerichtliche Interpretation der Grundrechte, S.83 (85).<br />

192 Lorenz von Stein, zit. nach <strong>Klaus</strong> Hornung, a.a.O., Criticón 1980,58.

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