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pdf-Version - Klaus Kunze

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für demokratisch halten. 473 Für den radikalen Demokraten hat dieses Auszählverfahren<br />

einen eigenständigen Wert. Besteht die Gefahr, daß diese demokratischen<br />

Spielregeln zur Abschaffung der Demokratie benutzt werden, muß er sich<br />

entschließen, auch gegen die Mehrheit Demokrat zu bleiben oder aber sich<br />

selbst aufzugeben. "Es scheint also das Schicksal der Demokratie zu ein, sich<br />

im Problem der Willensbildung selbst aufzuheben." 474 Ob man das demokratische<br />

Prinzip der Parteienverbote und Grundrechtsverwirkung verteidigt<br />

und das dann "wehrhafte Demokratie" nennt oder ob man offen die algerische<br />

Lösung anwendet und 10000 Aktivisten der undemokratischen, in der Wahl<br />

aber siegreichen Partei in Lager sperrt: 475 Jedenfalls ist die demokratische Diktatur<br />

kein Widerspruch in sich, es gibt sie wirklich. 476<br />

Totalitär wird die Diktatur, sobald die herrschende Partei Anspruch auf<br />

Gewissenssteuerung des Bürgers erhebt, seinen Alltag in immer mehr<br />

Lebensbereichen erfaßt, indem sie ihn z.B. in Massenorganisationen zwingt, die<br />

Grundrechte suspendiert und Staat und Gesellschaft in allen Bereichen miteinander<br />

vermengt. 477 So konnte Radbruch 1937 formulieren, eine "neue Form des<br />

totalen Staates" trenne das Recht nicht mehr von der Moral und fordere auch<br />

"die Beherrschung der Gewissen." 478 Während das Bonner System eine bürgerlich-rechtsstaatliche<br />

Form der Parteiendiktatur auf Zeit der Wahlperiode ist,<br />

verstand sich die DDR als Diktatur des Proletariats auf Dauer und weist, wie<br />

ihr rechtes Pendant, die NSDAP, idealtypisch alle Strukturmerkmale einer<br />

totalitären Diktatur auf. So lehnte der Nationalsozialismus ausdrücklich jede<br />

Gewaltenteilung und somit jede Trennung von Staat und Gesellschaft ab. 479 Er<br />

hob diese Scheidung im Gegenteil geradezu bewußt auf, indem er beide, Staat<br />

473 Kritisch dazu Luhmann, FAZ 22.10.1994: "Stimmen zu zählen, Prozentzahlen auszurechnen<br />

und Prozentgewinne und -verluste zu notieren" sei bei "geringfügigen Differenzen" zwischen<br />

Regierung und Opposition, als habe das Volk "nicht gewählt", sondern "nur gewürfelt". "Man<br />

hätte dasselbe Resultat viel einfacher haben können, wenn man Münzen geworfen hätte - Kopf<br />

oder Zahl."<br />

474 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage, S.37.<br />

475 Brender, FAZ 16.5.1992; vgl. auch C.v.Schrenck-Notzing, Editorial, Criticón 1992,51.<br />

476 So lehrbuchartig geschehen beim Jelzin-Putsch in Moskau 1993, als dieser als volksgewählter<br />

Präsident das Parlament auflöste und fortan regierte, per Dekret Rechtsregeln setzte und die<br />

obersten Richter ignorierte, und alles unter freundlichem Kopfnicken der westlichen Wertegemeinschaft<br />

im Namen der Demokratie, vgl. <strong>Klaus</strong> <strong>Kunze</strong>, Junge Freiheit 10/1993, S.1.<br />

477 Ebenso Kondylis, Konservativismus, S.506.<br />

478 Radbruch in einer Buchrezension, GRGA Bd.3, S.33 (35).<br />

479 Huber, Die Einheit der Staatsgewalt, Deutsche Juristen-Zeitung 1934, 950.

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