pdf-Version - Klaus Kunze
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Repräsentative Demokratie erfordert ein hohes Maß an Identifikation des<br />
Bürgers mit seinen Vertretern. Heute hat die Öffentlichkeit ein sehr feines Gespür<br />
dafür entwic??kelt, daß die Parteienvertreter tatsächlich nur noch<br />
Parteieninteressen repräsentieren, und das hat in Deutschland traditionell einen<br />
unangenehmen, anrüchigen Beigeschmack. Erfolg oder Scheitern der repräsentativen<br />
Demokratie werden in den nächsten Jahren davon abhängen, ob es<br />
gelingt, durch Direktwahl verantwortungsbewußter, gemeinwohlorientierter<br />
und unabhängiger Kandidaten dem Bürger und Wähler wieder das Bewußtsein<br />
zu vermitteln, daß da oben für ihn Politik gemacht und das Gemeinwohl<br />
vertreten wird. Was die Politik in den Augen der Mehrheit zu einem so schmutzigen<br />
Geschäft macht, ist nämlich der berechtigte Eindruck, daß hinter den demokratischen<br />
Kulissen nichts als eigensüchtige Interessenvertretung getrieben<br />
wird. Nur durch klare institutionelle Abgrenzungen auf allen Ebenen ist eine<br />
Änderung möglich: Es muß nachvollziehbar und transparent werden, wo das<br />
Gemeinwohl vertreten wird. Dann wird auch die Vertretung von Sonderinteressen,<br />
zur rechten Zeit und am rechten Ort, in den Augen der Bürger ihre innere<br />
Legitimität wiedergewinnen.<br />
DAS PARLAMENT - EINE GESELLSCHAFT GIBT SICH<br />
GESETZE<br />
Eine ursprüngliche Aufgabe der in Deutschland aus Landständen hervorgegangenen<br />
Parlamente war die Repräsentation der gesellschaftlichen Gruppen<br />
gegenüber dem Monarchen, in dessen Person sich die legitimen Interessen des<br />
Ganzen verkörperten. Mit dem allmählichen Zurückweichen des Gedankens<br />
monarchischer Legitimität ging im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend die<br />
gesetzgeberische Aufgabe auf die Parlamente über. Montesquieus Lehre von<br />
der Gewaltenteilung eignete sich hervorragend dazu, der Allgewalt des Absolutismus<br />
Scheibchen für Scheibchen an Macht abzuringen: Erst die gesetzgebende,<br />
später die richterliche und, in Deutschland seit 1918, die regierende<br />
Gewalt, bis die ursprüngliche prinzipielle Allzuständigkeit der Monarchen<br />
durch eine ebensolche des Parlaments ersetzt war. 618 Diese Allgewalt muß ge-<br />
618 Ebenso die Entwicklung in England, wo sich die Abgeordneten 1642-1649 gegen die königliche<br />
Prärogativgewalt wandten, mehr und mehr von ihr an sich rissen, bis schließlich der Monarch<br />
selbst unter die Vorherrschaft des Parlaments geriet. Vgl. Ziemske, ZRP 1993, 370, nach