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pdf-Version - Klaus Kunze

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bisher unter keiner Regierung aufgehört. Und wer in St.Petersburg 1905 "auf<br />

die Straße ging", wurde leicht von einem zaristischen Kavalleriesäbel getroffen;<br />

doch wer heute in Hamburg zu später Stunde in der falschen Straße spazierengeht,<br />

dem kann mit statistisch noch größerer Wahrscheinlichkeit dasselbe<br />

durch die Klinge eines Kriminellen passieren.<br />

Freiheit bedeutet eben nicht nur Freiheit von staatlichem Übergriff, sondern<br />

auch von Gefahren unserer banalen, alltäglich gewordenen Kriminalität. Die<br />

Summe aller "privaten" kriminellen Übergriffe auf Leib, Leben und Eigentum<br />

der Bürger war und ist aber notwendig in liberalen Parlamentarismen höher als<br />

in anderen Staaten, weil der Staat bewußt ohnmächtig gehalten wird. Mit liberalistisch<br />

halbierter Vernunft wird dann entsetzt vermerkt, daß die Polizei bei<br />

einer Ringfahndung "unsere Daten" benutzt, als ob davon eine Gefahr ausginge;<br />

lieber läßt man die Verbrecher laufen. Der Staat soll nach Meinung des Liberalen<br />

alles können, aber nichts dürfen. Die sich dabei unvermeidlich einstellenden<br />

mafiosen Strukturen nimmt der Liberale in seiner einäugigen Fixierung auf die<br />

von der Staatsgewalt potentiell ausgehenden Gefahren hin und gelangt dabei<br />

vom Regen in die Traufe. So kann der erzliberale Nachtwächterstaat den inneren<br />

Frieden und die Freiheit der Bürger nicht wahren, wenn er ihnen nur<br />

hoch und heilig verspricht, ihnen auch gewiß nichts zu tun, und das Versprechen<br />

dadurch einlöst, daß er gar nichts mehr tut und zum impotenten Papiertiger<br />

wird. "Die individualistischen Apostel haben noch nicht erkannt, daß auch<br />

die Republik ein Staat ist, der bejaht werden muß." 375 Das eigentliche Problem<br />

besteht also darin, daß der notwendige Schutz vor staatlicher Willkür in einem<br />

ausgewogenen Verhältnis stehen muß zu einem ausreichenden Maß an staatlicher<br />

Macht, um die Bürger voreinander zu schützen 376 . Dieses Verhältnis ist<br />

heute tiefgreifend gestört.<br />

Wo nicht ein neutraler Rechtsstaat herrscht, herrschen bestenfalls Verbände,<br />

Cliquen und Interessengruppen; schlimmstenfalls herrscht die Mafia. Die liberale<br />

Gesellschaft ist der ideale Nährboden für Mafias aller Art, 377 und zuweilen<br />

drängt sich die Frage auf, ob Staat überhaupt noch existiere oder ob er zum Eigentum<br />

mafioser Politikgruppen geworden sei." 378 Ein System muß aber notwendig<br />

scheitern, das den Eigennutz zum alleinigen Prinzip erhebt und daher<br />

keine Sicherungen gegen Korruption hat. Mit aller Kunstfertigkeit und mit<br />

375 E.J. Jung, Die Herrschaft der Minderwertigen, S.268.<br />

376 Im Ergebnis ebenso Seiters, Mehr innere Sicherheit, S.27.<br />

377 Mohler, Liberalenbeschimpfung, S.138, 141 f.<br />

378 Nolte, Die Fragilität des Triumphs, FAZ 3.7.1993.

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