pdf-Version - Klaus Kunze
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Funktionieren des Ganzen zu stören. Die fehlende Chancengleichheit für Andersdenkende,<br />
die dem Postenverteilungskartell mit Wertüberzeugungen entgegentreten<br />
und sich im Fernsehen ständig als Extremisten oder Schlimmeres abqualifiziert<br />
finden, führt bei einer wachsenden Zahl nachdenklicher Bürger zu<br />
einem fortschreitenden Legitimitätsverlust des Parteiensystems und fördert die<br />
Radikalisierung.<br />
DIE ANTHROPOLOGISCHEN ASPEKTE<br />
Die Schlußfolgerungen jeder Wissenschaft werden von nicht mehr hinterfragbaren<br />
Axiomen geprägt. Bei den Staats- und Gesellschaftswissenschaften<br />
sind das Annahmen über die Natur des Menschen. Die Hauptrichtungen des<br />
politischen Denkens unterscheiden sich schon im Ansatz durch ihr optimistisches,<br />
skeptisches oder pessimistisches Menschenbild. Wer an die natürliche<br />
Güte des Menschen glaubt, meint, keinen Staat als Tugendwächter nötig zu<br />
haben. Der staatsfeindliche Radikalismus wächst in dem gleichen Grade wie<br />
der Glaube an das radikal Gute im Menschen. 312 Je mehr Schlechtigkeit man<br />
seinen Mitmenschen hingegen zutraut, desto eher rechtfertigt man Gesetze und<br />
einen starken Staat über ihnen; denn "Tugend", sagte schon Wilhelm Busch so<br />
nett, "will ermuntert sein; Bosheit kann man schon allein!"<br />
Nach der Doktrin des Liberalismus soll angeblich die Summe aller privaten<br />
Egoismen zum Gemeinwohl führen, wenn man ihnen freien Lauf läßt. 313 Im<br />
Parlament würden die Sonderinteressen durch Meinungsaustausch und Diskussion<br />
koordiniert und zu einem Ausgleich gebracht, bis sie sich mit dem<br />
Interesse des Gemeinwesens als Ganzem identisch wären. Diese pluralistische<br />
Harmonielehre, welche die Resultante des Interessendrucks mit dem<br />
Gemeinwohl gleichsetzt, wird von Liberalen wie ein Dogma<br />
312 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, S.61<br />
313 Dieses liberale Bild vom Menschen als "Marktbürger" vertritt Peter Häberle, ZRP 1993, 383<br />
(385), unter Berufung auf Adam Smith (Der Wohlstand der Nationen, 1776, Hrg.Recktenwald,<br />
1986, S.17) und auf Eucken: Privateigentum bringe nicht nur dem Eigentümer, sondern auch<br />
dem Nichteigentümer Nutzen. Jeder nutze die Eigenliebe der anderen, indem er ihnen zeige,<br />
daß in ihrem eigenen Interesse liege, was er von ihnen wünscht. So nutze jeder die Eigenliebe<br />
der anderen zu seinem eigenen Vorteil. - Die Tatsache antagonistischer Interessen, vor allem<br />
zwischen Einzelnutzen und Gemeinnutzen, wird hier völlig übersehen.<br />
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