28.10.2013 Aufrufe

pdf-Version - Klaus Kunze

pdf-Version - Klaus Kunze

pdf-Version - Klaus Kunze

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

172<br />

___________________________________________________________<br />

Das Volk<br />

Wer fest in der Mausefalle sitzt, muß als erstes versuchen, diese zu<br />

loc??kern. Das selbstreferentielle Bonner System ist eine solche Mausefalle.<br />

Wie man sie auch dreht und wendet: Die systemimmanente Logik führt wie ein<br />

Teufelskreis immer wieder zum System zurück. Nichts scheint sich hier zu bewegen.<br />

Wenn sich allerdings auch nur irgendwo ein bewegliches Scharnier finden<br />

ließe, wäre die Hintertür gefunden, durch die man vielleicht doch in System<br />

einbrechen und über diese taktische Zwischenlösung zum Ziel gelangen könnte.<br />

Tatsächlich gibt es einen deutlichen Riß im Gebäude des Bonner Systems, einen<br />

wunden Punkt, einen eingebauten Denkfehler im System. Dieser liegt im<br />

nicht eingelösten Anspruch des Bonner Parlamentarismus, eine demokratische<br />

Volksherrschaft zu sein. Wer wie wir die Strukturmerkmale von Demokratie<br />

und Parlamentarismus miteinander verglichen hat, weiß natürlich, daß die<br />

beiden Ideenkreise einander teilweise ausschließende Begriffsmerkmale aufweisen.<br />

Der Parlamentarismus ist natürlich keine Demokratie, und daran ist<br />

auch aus Sicht seiner Verfechter nichts Aufregendes, weiß man sich doch angesichts<br />

des utopischen Moments der Demokratie mit dem Prinzip "demokratischer<br />

Repräsentation" so demokratisch wie real nur irgend möglich.<br />

Doch wissen das die Bürger? 1968 sind doch auch Tausende der scheinbar<br />

neuen Erkenntnis auf den Leim gegangen, daß in Deutschland, bei Lichte betrachtet,<br />

eine ganze Menge zu "demokratisieren" ist. Der utopisch-emanzipatorische<br />

Impuls, für jeden größere demokratische Mitsprache einzufordern,<br />

hat sich als äußerst kraftvoller Motor der Destabilisierung von Herrschaftsstrukturen<br />

erwiesen.<br />

Der demokratische Anspruch des Bonner Systems ist zur Doktrin erstarrt.<br />

Millionen gläubiger Bürger haben ihn so verinnerlicht, daß allein schon der Gedanke,<br />

nicht in demokratischen Verhältnissen zu leben, nur einen allgemeinen<br />

Aufschrei der Empörung zur Folge haben kann. Die Masse der Deutschen ist<br />

mit Leib und Seele Demokrat - oder was sie selbst so darunter versteht. Solchen<br />

Gläubigen kann man nicht mit akademischen Spitzfindigkeiten in der Art kommen,<br />

die Demokratie sei eine Utopie, und deshalb sollten sie sich mit der Herrschaft<br />

ihrer Repräsentanten über sie selbst auf unabsehbare Zeit abfinden. Wie<br />

viele DDR-Nostalgiker heute noch an ihren Sozialismus glauben, der nur nicht<br />

richtig verwirklicht worden sei, so spukt in der Köpfen der meisten Bundis eine<br />

fundamentalistische Idee von Demokratie nebulös herum, die mit äußeren<br />

Kennzeichen wie Meinungsfreiheit und theoretischen Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

am politischen Geschehen wie Wählengehen verbunden ist. Es ist ganz<br />

ausgeschlossen, an die Stelle des Gottes der Demokratie einfach mal so irgend

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!