pdf-Version - Klaus Kunze
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Das Volk<br />
Wer fest in der Mausefalle sitzt, muß als erstes versuchen, diese zu<br />
loc??kern. Das selbstreferentielle Bonner System ist eine solche Mausefalle.<br />
Wie man sie auch dreht und wendet: Die systemimmanente Logik führt wie ein<br />
Teufelskreis immer wieder zum System zurück. Nichts scheint sich hier zu bewegen.<br />
Wenn sich allerdings auch nur irgendwo ein bewegliches Scharnier finden<br />
ließe, wäre die Hintertür gefunden, durch die man vielleicht doch in System<br />
einbrechen und über diese taktische Zwischenlösung zum Ziel gelangen könnte.<br />
Tatsächlich gibt es einen deutlichen Riß im Gebäude des Bonner Systems, einen<br />
wunden Punkt, einen eingebauten Denkfehler im System. Dieser liegt im<br />
nicht eingelösten Anspruch des Bonner Parlamentarismus, eine demokratische<br />
Volksherrschaft zu sein. Wer wie wir die Strukturmerkmale von Demokratie<br />
und Parlamentarismus miteinander verglichen hat, weiß natürlich, daß die<br />
beiden Ideenkreise einander teilweise ausschließende Begriffsmerkmale aufweisen.<br />
Der Parlamentarismus ist natürlich keine Demokratie, und daran ist<br />
auch aus Sicht seiner Verfechter nichts Aufregendes, weiß man sich doch angesichts<br />
des utopischen Moments der Demokratie mit dem Prinzip "demokratischer<br />
Repräsentation" so demokratisch wie real nur irgend möglich.<br />
Doch wissen das die Bürger? 1968 sind doch auch Tausende der scheinbar<br />
neuen Erkenntnis auf den Leim gegangen, daß in Deutschland, bei Lichte betrachtet,<br />
eine ganze Menge zu "demokratisieren" ist. Der utopisch-emanzipatorische<br />
Impuls, für jeden größere demokratische Mitsprache einzufordern,<br />
hat sich als äußerst kraftvoller Motor der Destabilisierung von Herrschaftsstrukturen<br />
erwiesen.<br />
Der demokratische Anspruch des Bonner Systems ist zur Doktrin erstarrt.<br />
Millionen gläubiger Bürger haben ihn so verinnerlicht, daß allein schon der Gedanke,<br />
nicht in demokratischen Verhältnissen zu leben, nur einen allgemeinen<br />
Aufschrei der Empörung zur Folge haben kann. Die Masse der Deutschen ist<br />
mit Leib und Seele Demokrat - oder was sie selbst so darunter versteht. Solchen<br />
Gläubigen kann man nicht mit akademischen Spitzfindigkeiten in der Art kommen,<br />
die Demokratie sei eine Utopie, und deshalb sollten sie sich mit der Herrschaft<br />
ihrer Repräsentanten über sie selbst auf unabsehbare Zeit abfinden. Wie<br />
viele DDR-Nostalgiker heute noch an ihren Sozialismus glauben, der nur nicht<br />
richtig verwirklicht worden sei, so spukt in der Köpfen der meisten Bundis eine<br />
fundamentalistische Idee von Demokratie nebulös herum, die mit äußeren<br />
Kennzeichen wie Meinungsfreiheit und theoretischen Mitwirkungsmöglichkeiten<br />
am politischen Geschehen wie Wählengehen verbunden ist. Es ist ganz<br />
ausgeschlossen, an die Stelle des Gottes der Demokratie einfach mal so irgend