pdf-Version - Klaus Kunze
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Wirken des Liberalismus übrigbleiben wird, werden wir keinen Staat mehr machen<br />
können.<br />
Hier gilt es Gegenkräfte zu mobilisieren, die Tendenz umzukehren und den<br />
Staat vor seiner gänzlichen Beseitigung zu bewahren, weil wir ihn noch benötigen,<br />
und ihn insbesondere vor einem Aufgehen im nur Gesellschaftlichen zu<br />
schützen. Eine vollständige und in allen Lebensbereichen sauber durchzuhaltende<br />
Trennung von Staat und Gesellschaft ist zwar nach allgemeiner Ansicht<br />
nicht möglich. Diese Einsicht ist aber kein Grund, die mit Staat und<br />
Gesellschaft bezeichneten Aspekte menschlichen Zusammenlebens nicht voneinander<br />
zu trennen, wo dies möglich ist. Dazu bedarf es zuallererst eines Verfassungsorgans,<br />
dem die Verkörperung des Staats gegenüber der Gesellschaft<br />
obliegt. Dieses Organ ist der Bundespräsident. Während er heute nur<br />
symbolische Funktionen erfüllt, sind ihm die Entscheidung über den Kanzler<br />
und damit die Regierungsgewalt und damit deren Kontrolle alleinverantwortlich<br />
zu übertragen.<br />
DAS REPRÄSENTATIONSDEFIZIT<br />
Da das Ganze in der Bonner Verfassung nicht hinreichend vertreten ist, liegt<br />
das Strukturdefizit des Grundgesetzes vor allem in einem Repräsentationsmangel.<br />
Der in ein gesellschaftliches Kräfteparallelogramm eingebundene Bürger<br />
bedarf der Repräsentation seiner Interessen gegenüber anderen gesellschaftlichen<br />
Mächten in einem pluralen Vertretungsorgan, dem Bundestag. Aber auch<br />
sein Fundamentalinteresse an der Integrität desjenigen Ganzen, das seine<br />
individuelle Freiheit schützt, müßte vertreten werden. Das eigentliche Problem<br />
besteht im Konflikt zwischen verschiedenartigen Einzelbelangen und ihrem<br />
möglichen Gegensatz zum umfassenden öffentlichen Interesse. 588 Weil man mit<br />
dem Repräsentationsmodell im Grundgesetz 1949 ein Höchstmaß an "demokratischer"<br />
Legitimation bewirken wollte, muß der Parlamentsabsolutismus als<br />
korrigierbarer Konstruktionsfehler der Verfassung angesehen werden, weil das<br />
Repräsentationsprinzip nur unvollständig durchgeführt wurde. Darin liegt ein<br />
Systembruch, ein Widerspruch des gedanklichen Modells der Interessenvertretung<br />
in sich. Dieser Widerspruch beruht auf einer extremistischen Übertreibung<br />
der oben dargestellten liberalen Grundannahmen. Die entscheidende falsche<br />
588 Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S.306.