pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
82<br />
___________________________________________________________<br />
fung und Verleumdung der Parteien fort, deren Vertreter nicht in den<br />
Aufsichtsräten der Medien sitzen. Die tatsächlichen politischen Forderungen<br />
dieser Parteien werden verschwiegen und ihnen andere, gar nicht vertretene<br />
Positionen untergeschoben, ohne daß sie zu Wort kommt und damit eine<br />
Chance hätte, die Falschbehauptungen richtigzustellen. Darin liegt ein Element<br />
der Diskriminierung und macht die Berichterstattung zur Agitation. Obwohl<br />
alle einschlägigen Rundfunkgesetze ausgewogene Berichterstattung verlangen,<br />
kamen z.B. Republikaner bis zum Frühjahr 1992 nicht selbst zu Wort und auch<br />
danach nur höchst selten und kurz. Während neo-nationalsozialistische Halbstarke<br />
- volkspädagogisch abschrec??kend wegen des baren Unsinns ihrer Rede<br />
- in politischen Magazinsendungen genüßlich vorgeführt werden und ihre<br />
Sprüche klopfen dürfen, sind zum Beispiel Republikaner offenbar zu gefährlich,<br />
als daß man sie auszustrahlen riskieren könnte. Nach informellen Absprachen<br />
zwischen den Intendanten darf kein Republikaner seine Meinung im<br />
Fernsehen vertreten und Programmpunkte vortragen, weil man dann nicht mehr<br />
behaupten könnte, die Partei hätte außer dummen Sprüchen kein Programm.<br />
Die Noelle-Neumannsche Schweigespirale wird operativ eingesetzt und gegen<br />
die als gefährlich eingeschätzte Konkurrenzpartei gewandt: Die Politiker, die<br />
allabendlich in ihren Staatskarossen zu Sitzungen auffahren, hält der Fernsehzuschauer<br />
für real. Wer nicht auffährt und eintrifft, ist irreal - es gibt ihn einfach<br />
nicht. Die Ikone Bildschirm ersetzt für den sich "in der ersten Reihe" wähnenden<br />
Zuschauer die Realität; 311 und in dieser Realität dürfen Störenfriede<br />
nicht vorkommen.<br />
Die Verfügungsmacht über die Medien ist eine der tragenden Spielregeln<br />
des Systems, durch die es für seinen dauernden Selbsterhalt sorgt. Wenn<br />
Parteipolitiker und ihre Journaille sich gegenseitig Vorlagen geben, steht jede<br />
Konkurrenz sofort im Abseits, die nicht über die Mikrophone verfügt. Ihre<br />
grundgesetzlich garantierte Freiheit, bei diesem Spiel mitzumischen, ist so<br />
hilfreich wie die Freiheit der Menüwahl bei Tische, wo der Fuchs und die Gans<br />
miteinander tafeln. Mit dem Zugriff auf das Fernsehen und mit seinem parteipolitischen<br />
Mißbrauch haben die Kartellparteien das ausschlaggebende Machtinstrument<br />
der modernen Mediengesellschaft in der Hand. Sein Einsatz beseitigt<br />
die Chancengleichheit vollständig und trifft damit den Nerv der FdGO.<br />
Diese Grundordnung, so juristisch verschroben sich ihre Definition durch das<br />
BVerfG auch anhören mag, bildet in sich ein ausgewogenes und durchdachtes<br />
Ganzes. Man kann nicht einzelne ihrer Elemente beliebig beseitigen, ohne das<br />
311 Schrenck-Notzing, Abschied vom Dreiparteiensystem, S.121.