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pdf-Version - Klaus Kunze

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buch einer von den Gewerkschaftsfunktionären nicht gern gesehenen Partei.<br />

Kirchen müssen keine Angestellten beschäftigen, die gegen Kirchenrecht verstoßen<br />

haben. So kann eine Küchenhilfe eines kirchlichen Altersheims entlassen<br />

werden, nur weil sie nicht kirchlich geheiratet hat. Nur der Staat, das<br />

Ganze, soll es heute hinnehmen müssen, daß seine Schaltstellen mit Personen<br />

besetzt werden, die nach Parteiproporz ausgewählt oder nach parteitaktischem<br />

Machtkalkül protegiert worden sind und die sich ihrer Partei verpflichtet<br />

fühlen, nicht dem Ganzen.<br />

Aber wie ist der Gefahr zu begegnen, der Bundespräsident als einzelner<br />

könne, was noch schlimmer wäre als die Herrschaft einer Teilgruppe, im wesentlichen<br />

eigennützig für sich selbst regieren? Ist er als Person nicht auch Teil<br />

der Gesellschaft? Wenn die Herrschaft einer Gesellschaftsgruppe über den<br />

Staat, das Ganze, von Übel ist - muß nicht die Herrschaft eines einzelnen, also<br />

eines Teils einer Teilgruppe, das Übel noch verstärken?<br />

In der parlamentarischen Demokratie behauptet die jeweilige Parlamentsmajorität<br />

ja auch, für das Ganze zu herrschen. Daß sie ihrer Natur nach nicht das<br />

Ganze, sondern nur sich selbst vertreten kann, ist eine wesentliche kritische<br />

Einsicht gegen das System der Parlamentsregierung. Wenn ein einzelner Präsident<br />

das Ganze inhaltlich soll repräsentieren können, wenn wir ihm zutrauen,<br />

für die Belange Aller einzutreten, warum soll ein vom Parlament gewählter<br />

Bundeskanzler das nicht auch können? Warum können es die Parlamentarier<br />

praktisch nicht, obwohl sie es nach Art.38 GG doch sollen?<br />

Der wesentliche Unterschied liegt in der nötigen persönlichen Unabhängigkeit<br />

des Bundespräsidenten und dem ihm abzufordernden Amtsverständnis. Ein<br />

Bundeskanzler von Parlaments Gnaden ist stets dem Gutdünken der jeweiligen<br />

Mehrheit ausgesetzt und muß für diese Entscheidungen treffen. Im täglichen<br />

Ringen um Kompromisse zwischen den Interessen innergesellschaftlicher<br />

Machtgruppen kann er nicht zugleich für die Unorganisierbaren, Ungeborenen<br />

und Schwachen und schon gar nicht für das Ganze gegen den Interessendruck<br />

seiner Teile eintreten. Das gilt erst recht, wenn er zugleich Vorsitzender der<br />

Majoritätspartei ist. Ohne Ungebundenheit von solchen Abhängigkeiten kann<br />

ein Präsident daher nicht für das Ganze regieren oder regieren lassen. Keine<br />

formelle Parteigebundenheit darf Zweifel an der Neutralität und inneren Unbestechlichkeit<br />

des Amtsinhabers wecken. Die Freiheit von Partikularbindungen<br />

und Basisimperativen ist Grundvoraussetzung demokratischer Repräsentation.<br />

601<br />

601 Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, S.20.

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