pdf-Version - Klaus Kunze
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steht." 594 Machtgleichgewichte verhindern ihrer Natur nach die eindeutige<br />
Entscheidung zwischen zwei antagonistischen Prinzipien. Das hier<br />
eingeforderte Gleichgewicht zwischen den repräsentierten Interessen des<br />
Ganzen und denen seiner Teile ist aber notwendig, wenn ein Absolutismus der<br />
einen oder anderen Seite vermieden werden soll. Entgegen Carl Schmitt ist es<br />
also kein "Mangel" dieser "rechtsstaatlichen Idee", daß sie "die letzte, unabwendbare,<br />
politische Entscheidung und Konsequenz der politischen Formprinzipien<br />
umgehen will." 595<br />
Wenn man schon von der Vertretbarkeit von Interessen ausgeht, dann muß<br />
man auch konsequent sein und mit dem Repräsentationsgedanken ernst machen.<br />
Es genügt dann eben nicht, die Interessen derjenigen in einem Parlament zu<br />
bündeln, die sich aufgrund ihres Lebensalters und ihrer Kraft überhaupt organisieren<br />
können. Nur bestimmte Eliten können die gegebenen Beteiligungsmöglichkeiten<br />
ausschöpfen und dabei ihre Interessen artikulieren. 596 Aus verbandssoziologischen<br />
Gründen lassen sich vor allem ganz allgemeine Interessen und<br />
die Interessen von Randgruppen ohne Macht zur Konfliktsaustragung nicht organisieren;<br />
597 und was nicht organisiert ist, bleibt nach dem rein liberalen<br />
Modell weitgehend ungeschützt. Sind Partikularinteressen regelmäßig stärker<br />
organisiert, stellt von Arnim weiter mit Olsonscher Logik fest, bleibt der Appell<br />
zum Allgemeininteresse auf der Strecke.<br />
Daß es ein Gemeinwohl überhaupt gibt, kann schlechterdings nicht ohne<br />
Widerspruch zu seinen eigenen Prämissen bestreiten, wer Interessen überhaupt<br />
für vertretbar hält. Merkwürdigerweise pflegen aber dieselben Autoren die<br />
Existenz des Gemeinwohls aller Bürger eines Staates oder aller Angehörigen<br />
eines Volkes als ideologisches Kunstprodukt oder Gedankenfiktion zu<br />
bezeichnen, die überhaupt keine Probleme mit der Annahme eines<br />
gemeinsamen Wohls aller ÖTV-Mitglieder oder aller Proletarier oder aller<br />
Frauen haben. Daß es ein auf ein politisches Gemeinwesen zu beziehendes<br />
gemeinsamen Wohl grundsätzlich geben kann, wie auch immer es konkret zu<br />
bestimmen sein mag, ist nur zu bestreiten, wenn man generell die Möglichkeit<br />
des gleichen Interesses zweier Menschen abstreitet. Dieses gemeinsame Wohl<br />
kann vertreten werden, wenn überhaupt irgendein gemeinsames Interesse<br />
594 Carl Schmitt, Verfassungslehre, S.304 nach R.Redslob, Die parlamentarische Regierung in<br />
ihrer wahren und in ihrer unechten Form, 1918.<br />
595 Carl Schmitt, Verfassungslehre, S.305.<br />
596 Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, S.10.<br />
597 Arnim, Wenn der Staat versagt, FAZ 13.7.1993.