pdf-Version - Klaus Kunze
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te. 298 Für die wehrhafte Demokratie des Bonner Grundgesetzes und militante<br />
Demokraten 299 gibt es hingegen, Carl Schmitt folgend, 300 selbstverständlich<br />
nur einen auf einer einheitlichen Wertordnung beruhenden Rechts- und Gesetzesbegriff.<br />
Das liberale Bürgertum hat aus der Geschichte gelernt. Obwohl es<br />
ohnehin den ganzen Staat erobert hat, hat es dessen Gewalten vorsichtshalber<br />
noch einmal aufgeteilt. Weiter sicherheitshalber hat es sich von den Staatsfunktionen<br />
die Gesetzgebung als Domäne reserviert. Durch die Grundsätze des<br />
Vorranges und des Vorbehaltes der parlamentarisch beschlossenen Gesetze hat<br />
es sichergestellt, daß die anderen Gewalten nicht außerhalb seiner Gesetze<br />
handeln dürfen. So ist alles Recht "bürgerliches Recht," sind die Gerichte bürgerliche,<br />
mit anderen Worten: liberale, Gerichte. Es wird so eine Rechtsprechung<br />
gewährleistet, die auf die liberalen Grundwerte als oberste Werte ausgerichtet<br />
ist. Der Vorrang und der Vorbehalt des parlamentarischen Gesetzes sichern<br />
so einen liberalen Gesetzesbegriff, eine liberale Handhabung der<br />
Exekutive und eine liberale Rechtsprechung.<br />
Zur Verteidigung dieser Maßregeln muß betont werden, daß kein System auf<br />
Dauer bestehen kann, das in seinen Staatsorganen etwa voneinander abweichende<br />
ideologische Auffassungen zuließe. Die Einheitlichkeit der staatlichen<br />
Verfassung und ihrer Wertordnung gilt nicht nur nach richtiger Ansicht des<br />
Bundesverfassungsgerichts 301 hier und heute, sondern in jedem stabilen<br />
System. "Jeder Staat nimmt für sich ein Selbsterhaltungsrecht zur Verteidigung<br />
des etablierten Macht- und Verteilungssystems in Anspruch. Auch wenn sich<br />
Unterschiede in der Art und Weise feststellen lassen, wie dieses Selbsterhaltungsrecht<br />
verwirklicht wird, so geht es doch stets darum, politische<br />
Systemgegner auszuschalten oder wenigstens zu schwächen. Werden gerichtsförmige<br />
Verfahren dazu in Dienst genommen, dann spricht man von<br />
politischer Justiz." 302<br />
298 Dagegen vor der Machtergreifung entschieden Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, S.61;<br />
ders. danach über die inneren Widersprüche des Weimarer Systems, das sich in dieser neutralen<br />
Legalität selbst zerstörte und seinen eigenen Feinden auslieferte, resignativ-doppelbödig in: Der<br />
Führer schützt das Recht, Deutsche Juristen-Zeitung 1934,947.<br />
299 Das Grundgesetz bekennt sich zur "militanten Demokratie": Roman Herzog, M-D-H, Art.5<br />
GG Abs.I, II, Rdn.111.<br />
300 Schmitt gilt als "Erfinder" der "Ewigkeitsklausel" des Art.79 Abs.III GG; vgl. Legalität und<br />
Legitimität, S.55 ff. (61): Eine Verfassung könne niemals "legal" die Möglichkeit ihrer eigenen<br />
Abschaffung ermöglichen.<br />
301 Vgl.Otto Kimminich, S.62 (74).<br />
302 Axel Görlitz, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 1994,159.