pdf-Version - Klaus Kunze
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der Verfassung hineinragen. Das Bundesverfassungsgericht hält sie gar als<br />
Wahlvorbereitungsorganisationen für unentbehrlich. In allen diesen Funktionen<br />
haben die real existierenden Bundestagsparteien aber kläglich versagt und ihre<br />
Macht mißbraucht. Wo ihnen der Staat gestattete, einen Fuß in die Tür staatlicher<br />
Organisation zu setzen, brachen sie in einem beispiellosen Marsch durch<br />
alle Institutionen und eroberten den Staat von innen. Oder nach dem Bilde der<br />
in der Gesellschaft wurzelnden und mit den Wipfeln ins Verfassungsrecht ragenden<br />
Parteien: Die Parteien haben sich am Stamm der staatlichen Organisationshierarchie<br />
hochgerankt wie eine tropische Schlingpflanze, im Wipfel<br />
entfaltet und erstic??ken jetzt den Staat, ihre "Wirtspflanze" unter der Last wuchernder<br />
Triebe.<br />
Damit ist das liberale Modell einer sich selbst regierenden Gesellschaft gescheitert.<br />
Ebenso wie der Marxismus vom endlichen Absterben des Staates<br />
träumte, begegnet der Liberale allem Staatlichen mit tiefem Mißtrauen und<br />
suchte dieses möglichst zugunsten nur gesellschaftlicher Organisation in den<br />
Hintergrund zu drängen. Der real existierende Parlamentarismus in seinen Mutterländern<br />
Großbritannien und den USA wie auch seine nach Deutschland verpflanzte<br />
Variante machen augenfällig, daß ein schwacher Staat und eine Gesellschaft,<br />
der man freien Lauf läßt, nicht zu einem solidarischen Gemeinwesen<br />
freier Bürger führt, sondern zu einer Zweidrittelgesellschaft, in der die wohlorganisierten<br />
Interessengruppen den Ton angeben und mafiose Strukturen die<br />
Staatlichkeit allmählich auflösen und Bürgerfreiheit, demokratische Mitverantwortung<br />
und den inneren Zusammenhalt der Res publica gesetzmäßig verringern.<br />
Die liberale Vorstellung einer Brückenfunktion der Parteien zwischen<br />
Staat und Gesellschaft hat sich damit als untauglich erwiesen. Allenfalls sind<br />
die Parteien wie herabgelassene Zugbrücken, über die die formierte Gesellschaft<br />
in die Burg des Staates eindringen kann. Wer den Grundgesetzsatz, nach<br />
dem die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken<br />
sollen, so versteht, der Staat sollte sie wie Verfassungsorgane inkorporieren,<br />
macht sie zum trojanischen Pferd des Partikularen.<br />
DAS PLEBISZIT ALS KONSTRUKTIVES KORREKTIV DES RE-<br />
PRÄSENTATIONSPRINZIPS<br />
1948 trat auf der Insel Herrenchiemsee eine seltsame Schar gutsituierter Persönlichkeiten<br />
zusammen, fast ausschließlich Herren. Wenn wir sie in alten Filmen<br />
sehen, fällt an ihrem Erscheinungsbild vor allem auf, daß der Typus des