pdf-Version - Klaus Kunze
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überfütterten Bundis noch völlig fehlte. Blaß, dünn und in abgetragenen, gräulichen<br />
Anzügen saßen sie da auf Anordnung und unter Aufsicht der Alliierten zusammen<br />
und meinten es mit dem deutschen Volk so gut, daß sie ihm ein Grundgesetz<br />
zimmerten, in dem das Volk unmittelbar überhaupt nichts zu sagen hat.<br />
Sicherlich haben sie "uns alle geliebt." Wer wollte rückblickend Arges über sie<br />
denken? Auch heute noch lieben uns unsere Parteipolitiker. Sie meinen es so<br />
gut mit uns, daß sie gar nicht aufhören wollen, uns zu beglücken.<br />
Nein, böse Leute sind unsere Parteipolitiker nicht. Der Fehler steckt im System.<br />
Selbst wenn es praktisch möglich wäre, in dieser Republik die herrschenden<br />
Parteien abzuwählen und neue Gesichter ins Rennen zu schicken, würden<br />
diese neuen Menschen und neuen Parteien unter Fortgeltung der heutigen Spielregeln<br />
über kurz oder lang ein ähnlich geschlossenes System bilden wie das der<br />
jetzigen Parteien. Wir haben das Plebiszit bisher kennengelernt als die Nadel,<br />
mit der allein der ganze aufgeblasene Luftballon des Bonner Parteienfeudalismus<br />
zum Platzen gebracht werden kann. Wir haben es auch als unentbehrlich<br />
erkannt, einem Staatsoberhaupt nebst Regierung die unentbehrliche Weihe demokratischer<br />
Zustimmung der Regierten zu verleihen. Schließlich sahen wir das<br />
gesetzgeberische Plebiszit als vorrangig vor parlamentarischem Gesetzeswerk<br />
an.<br />
Die Bedeutung des Plebiszits erschöpft sich keineswegs in seiner destruktiven<br />
Wirkung gegenüber oligarchischen Wildwüchsen. Wenn die Verfestigung<br />
undemokratischer Strukturen auf Dauer verhindert und der Bildung einer<br />
Obrigkeit wie der des jetzigen Parteienkartells entgegengewirkt werden soll,<br />
kann das nur durch direkte Entscheidungsrechte des Volkes auf allen Ebenen<br />
geleistet werden. Jeder Bürger, der nicht zum auserwählten Kreis der Berufsrepräsentanten<br />
gehört, wird die Forderung unmittelbar einleuchtend und<br />
nicht weiter begründungsbedürftig finden, ihm ein direktes Mitspracherecht<br />
über seine Belange einzuräumen. Also: Warum eigentlich nicht?<br />
Wir müssen hier zwischen wahren und vorgeschobenen Gründen unterscheiden:<br />
Historischer Hauptgrund für den fast völligen Ausschluß des Volkes von<br />
der unmittelbaren Einflußnahme war 1949 die Angst der alliierten Besatzer, das<br />
deutsche Volk könnte trotz Krieg und Niederlage nicht demokratisch kapitelfest<br />
sein und wieder böse Leute wählen oder kraft Volksabstimmung den Besatzern<br />
unliebsame Entscheidungen treffen. So hat Otmar Jung belegt, daß die Befürworter<br />
einer engen Anbindung der Bundesrepublik an die Westalliierten<br />
fürchteten, die Bevölkerung könnte diese nicht mittragen, und eine Volksabstimmung<br />
könnte diese Kluft zwischen den Landtagen und der Bevölkerung of-