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pdf-Version - Klaus Kunze

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im Dreikaiserjahr 1888 wurde erst einmal "alles anders": Der Thronfolger<br />

setzte den ungeliebten Ratgebern und Ministern eines ungeliebten Vaters den<br />

Stuhl vor die Tür. So konnten und mußten verknöcherte, überlebte Strukturen<br />

verändert und durch zeitgemäße ersetzt werden. Eine monarchische Herrschaftsordnung<br />

konnte, wie im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation,<br />

Jahrhunderte überdauern und doch in ihrem Innern laufend mutieren.<br />

Der Liberalismus meint von sich selbst, ein offenes System zu sein und sich<br />

ständig verändern und Zeitproblemen anpassen zu können. In diesem Kern<br />

seines Anspruchs ist er durch die Wirklichkeit widerlegt. Anpassungsfähig ist<br />

er nur in den Methoden zur Erhaltung und Stabilisierung seiner eigenen Macht.<br />

Ein Gemeinwesen kann sich aber immer nur eine bestimmte Zeitlang ein System<br />

leisten, dessen Führungsoligarchie eine geschlossene Gesellschaft bildet,<br />

nur noch ihren Gesetzen gehorcht und als Minderheit auf Kosten des Ganzen<br />

schmarotzt. Soll das Ganze nicht schweren Schaden nehmen, erzwingen die<br />

Verhältnisse einen Systemwandel zur Ablösung der alten Machtelite und<br />

Durchsetzung eines Politikwechsels. Der Elitenwechsel pflegt nicht eine völlige<br />

Auswechslung der gesamten Führungselite zu sein, sondern ein Prozeß der<br />

Verschmelzung stets neuer Anwärter mit vorhandenen Eliten. Die Revolutionäre<br />

von heute werden dann die Reaktionäre von morgen. 409 Die Bundesrepublik<br />

hat sich schon zu lange vor grundsätzlich neuem Denken und nonkonformistischen<br />

Geistern abgeschottet. Irgendwann muß unweigerlich der Zeitpunkt<br />

kommen, an dem die Verhältnisse neue Lösungen erzwingen und andere<br />

Menschen sie durchsetzen werden, oder das Gemeinwesen zusammenbrechen<br />

wird.<br />

Systeme sind nicht für Ewigkeiten da. Sie müssen die ständig erforderliche<br />

Innovation an Gedanken und Problemlösungsstrategien gewährleisten, die permanente<br />

Evolution. Verfassungen als juristisch fixierte Problemlösungskonzepte<br />

müssen sich zwangsläufig wandeln können und mit den Problemen<br />

kommen und gehen. Da offenbar jedes System zum Gegenteil neigt, nämlich<br />

zum Beharren auf sich selbst und auf vergangenen Perspektiven, muß notfalls<br />

im Abständen ein ganzes System über Bord geworfen und ersetzt werden, um<br />

den unabdingbaren Wandel zu erzwingen. Das gilt gegebenenfalls für jedes<br />

System. Wo es verhindert wird, befindet das Gemeinwesen sich in höchster Gefahr.<br />

Manchmal kommt sogar "der Untergang von Staaten daher, daß sich ihre<br />

Verfassungen nicht mit den Zeitnotwendigkeiten ändern." 410 Der Wechsel der<br />

409 Michels, Soziologie, S.352, 196.<br />

410 Machiavelli, Discorsi, Buch III Kap.9.

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