pdf-Version - Klaus Kunze
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nicht mehr funktionieren. Seine Grundidee kann heute nur sinngemäß auf die<br />
heutigen Machtfaktoren der Gesellschaft angewandt werden.<br />
Der gedankliche Kern der Trennung von Befugnissen und der Aufteilung<br />
der Macht drückt sich in Inkompatibilitäten aus, das heißt dem Verbot, nach<br />
dem ein und dieselbe Person oder Personengruppe nicht gleichzeitig zwei verschiedene<br />
Gewalten innehaben oder an ihnen teilhaben darf. Das entspricht der<br />
Idee nach der heute gängigen Staats- und Verfassungslehre, ist im Grundgesetz<br />
aber nur in bezug auf einzelne Personen verwirklicht. So ist bekannt, daß es<br />
gesetzliche Verbote der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu mehreren Gewalten<br />
gibt.<br />
Montesquieu hatte das Verbot aber ausdrücklich weiter als heute gefaßt und<br />
auch mit der Freiheit für unvereinbar erklärt, wenn verschiedene Einzelpersonen<br />
aus "derselben Beamtenschaft" mehrere Gewalten inne hätten. Mit Bedacht<br />
hatte er jede der Staatsfunktionen einer bestimmten, in sich als weitgehend<br />
homogen vorgestellten gesellschaftlichen Gruppe zugeordnet, beispielsweise<br />
die Gesetzgebung derjenigen Kammer, die aus dem Bürgertum hervorgegangen<br />
war und einer anderen aus dem Adel. Keiner dieser Gruppen gehörte der König<br />
als Haupt der Exekutive persönlich an. Montesquieu hätte sich nicht einfallen<br />
lassen, Personen aus ein und derselben Gruppe, etwa dem Adel, gleichzeitig die<br />
Exekutive und die Mitwirkung an der Gesetzgebung anzuvertrauen. Er betont<br />
mehrfach, daß nicht nur eine Einzelperson keinesfalls Einfluß auf mehr als eine<br />
Staatsgewalt gleichzeitig haben darf, sondern daß auch ein und dieselbe Personengruppe<br />
nicht mehrere Staatsbefugnisse besetzen dürfe: "Alles wäre verloren,<br />
wenn ein und derselbe Mann bzw. die gleiche Körperschaft entweder der<br />
Mächtigen oder der Adligen oder des Volkes alle drei Machtvorkommen ausübte".<br />
Als negatives Beispiel schildert Montesquieu die Situation in den italienischen<br />
Republiken seiner Zeit: "Die gleiche Beamtenschaft hat als Ausführer der<br />
Gesetze alle die Befugnisse, die sie sich als Gesetzgeber selbst verliehen hat.<br />
Sie vermag den Staat durch ihren Willen zu verheeren. Da sie auch noch die<br />
richterliche Gewalt innehat, vermag sie jeden Bürger durch ihre Sonderbeschlüsse<br />
zugrundezurichten. Alle Befugnisse bilden hier eine einzige. Obwohl<br />
hier keine äußere Pracht einen despotischen Herrscher verrät, bekommt man ihn<br />
auf Schritt und Tritt zu spüren." 141 "Der Despotismus der modernen<br />
Demokratie hat einen anderen Charakter, er ist viel weitergehender und sanfter<br />
141 Montesquieu, S.213.