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pdf-Version - Klaus Kunze

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nur die persönliche Wohlfahrt der einzelnen Menschen sein. Nie darf hingegen<br />

ein System zum Selbstzweck werden, weil es sich sonst um die Grundlage seiner<br />

Legitimität bringt.<br />

Der Gegensatz von zentraler Gewalt des Staats und partikularen Gewalten<br />

durchzieht die deutsche Geschichte wie ein roter Faden. Als das Heilige Römische<br />

Reich unter den Staufern zu einer von außen kaum angreifbaren Macht<br />

gekommen war, schwand im Innern das Bewußtsein, zusammenhalten zu müssen.<br />

Der Fürstenpartikularismus war die Antwort auf diese neue Lage in einer<br />

Zeit, die den christlich-universalistischen Herrschaftsanspruch schwinden und<br />

den "Nominalismus" derer wachsen sah, die trotzig auf dem Eigenen, Besonderen<br />

beharrten. Allerorten in Deutschland nahm man sich zunehmend die Freiheit,<br />

soviel man eben bekommen konnte, bis die apokalyptischen Szenarien den<br />

30jährigen Krieges wieder zum absoluten Zusammenfassen aller Kräfte zwangen<br />

und der Fürstenabsolutismus sich durchsetzte.<br />

Die Geschichte bietet das ständig sich wiederholende Bild der unter dem<br />

Ansturm des Freiheitsdurstes bröckelnden Staatsmacht und dem Gesetz, daß<br />

man unter äußerem Druck wieder enger zusammenrücken muß. Lorenz von<br />

Stein hat das auf die Formel vom ständigen Stoß und Gegenstoß von Staat und<br />

Gesellschaft gebracht und als Inbegriff des politisch-geschichtlichen Lebens<br />

erkannt. 386 Wo sich eine Gesellschaft unter äußerem Druck nicht rechtzeitig in<br />

staatliche Façon zu bringen vermochte, erlag das Gemeinwesen äußerem Ansturm,<br />

und das jeweilige Volk sank vom geschichtlichen Subjekt zum Objekt<br />

des Willens und Handelns anderer herab. 387 So hatte das alte Reich den französischen<br />

Revolutionsarmeen mit ihrer totalitär-demokratischen, alle Kraft<br />

ihres Staates zusammenfassenden Wucht nichts entgegenzusetzen und löste<br />

sich auf. Nach dem Befreiungskrieg sieht das 19.Jahrhundert eine fortwährende<br />

Folge von inneren Liberalisierungen, zunehmende Bürgerfreiheit und abnehmende<br />

Staatsmacht. Diese Tendenz wurde erst unterbrochen, als mit der<br />

Weimarer Republik ein nie dagewesener Tiefpunkt staatlicher Macht erreicht<br />

wurde und breitere Schichten unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen und der<br />

offenen Schwäche des Staates nach innen und außen persönlich litten.<br />

Letztlich war es die Angst vor dem geographisch benachbarten Sowjetmodell<br />

und seinen Massenmorden an Klassenfeinden und seinem systematischen<br />

Terror als Mittel der Politik, die eine relative Mehrheit in die Arme dessen<br />

trieb, der alle staatlichen Kräfte anzuspannen versprach, Terror mit Gegenterror<br />

386 Lorenz von Stein, zit. nach Hornung, Criticón 1980, 56 (59 f.).<br />

387 <strong>Klaus</strong> Hornung, Criticón 1980, 56 (59).

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