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pdf-Version - Klaus Kunze

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entscheide nach christdemokratischer Ansicht "zu den abgefeimten Techniken<br />

totalitärer Diktaturen." Im Plebiszit sei nämlich derjenige souverän, der die<br />

Frage formuliert. Das Volk, so weiß man in der CDU, ist ein bißchen dumm,<br />

und außerdem neigt es zum Wählen schlimmer Parteien: Als die CDU bei der<br />

Landtagswahl in Baden-Württemberg im April 1992 die absolute Mehrheit verloren<br />

hatte, sprachen ihre Vorstandsmitglieder im Konrad-Adenauer-Haus bei<br />

lautem Nachdenken aus, man müsse angesichts der Uneinsichtigkeit der Wähler<br />

eine "erzieherische Politik" betreiben. 565<br />

Damit die feinen Herrschaften des Bonner Parteienkartells unter sich bleiben<br />

dürfen, muß das Volk also von jeder direkten Mitwirkung ferngehalten<br />

werden, vor allem aber von den entscheidenden Hebeln der Macht. Die<br />

wirkungsvollsten wären die Direktwahl eines Bundespräsidenten, der über die<br />

Person des Kanzlers zu befinden hätte, und die Volksentscheidung von<br />

Verfassungsfragen und Fragen der Tagespolitik. Das französische Volk hat<br />

solche Rechte. Die Schweizer entscheiden durch Abstimmung traditionell<br />

selbst über politische Grundsatzfragen. Das deutsche Volk ist nach christdemokratischer<br />

Ansicht dafür offenbar zu unreif. Die Unionsjuristen wehren sich gegen<br />

die Ausübung der verfassungsgebenden Gewalt des Volkes mit Händen und<br />

Füßen und verraten damit, welch schlechtes Gewissen sie haben angesichts ihrer<br />

"Art, wie Macht ausgeübt und mißbraucht wird." 566<br />

Panisch beschwört der Münchener Ordinarius Peter Badura die Legitimität<br />

des Parteiensystems und treibt jeden Gedanken an die verfassunggebende Gewalt<br />

des Volkes in exorzistischer Manier aus: Es "ist die verfassungsgebende<br />

Gewalt nicht eine Kompetenz- oder Verfahrensregel des Rechts oder der Politik,<br />

sondern eine Doktrin zur Herbeiführung oder zur Legitimierung einer revolutionären<br />

Staatsumwälzung. [...] Abwegig ist es, aus einer geltenden Verfassungsnorm<br />

einer legitimen Verfassung, dem Art.146 des Grundgesetzes, das<br />

Gebot zu entnehmen, dem Volk das Revolutionsinstrument der verfassungsgebenden<br />

Gewalt zur möglichen Abschaffung eben dieser Verfassung in die Hand<br />

zu geben." 567<br />

Daß die Apologeten und Nutznießer des Liberalismus bei der bloßen Erwähnung<br />

des Wortes Plebiszit wütend aufheulen, zeigt uns, daß wir hier ihren einzigen<br />

wunden Punkt getroffen haben. Hier können sie zappeln, solange sie wollen.<br />

Sie kommen nicht ohne Verstoß gegen ihre eigenen demokratischen<br />

565 Nach Karl Feldmeyer, Die christliche Demokraten tasten, FAZ 7.4.1992.<br />

566 Hildegard Hamm-Brücher (FDP) im ORF/ 3 SAT am 10.3.1992.<br />

567 Peter Badura, Direkte Teilhabe oder mittelbare Demokratie, FAZ 12.12.1991.

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