pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
84<br />
___________________________________________________________<br />
aufrechterhalten. 314 Es vermag im Gemeinwohl nichts anderes zu sehen als ein<br />
"Kräfteparallelogramm der Sonderinteressen." 315 Ihre Grundüberzeugung vom<br />
Menschen fußt auf einem schönfärberischen Menschenbild, dessen sich in polemischer<br />
Absicht vornehmlich diejenigen bedienen, die von staatlichen Schutzgesetzen<br />
für ökonomisch und sozial Schwache nur persönliche Nachteile<br />
befürchten: die Eigentümer von Kapital. "Der Staat ist den Eigentümern ein<br />
notwendiges Übel, und man muß jedes Übel so klein machen als möglich." 316<br />
Also duldet der Liberale den Staat allenfalls als in Diensten der Gesellschaft<br />
stehendes, mißtrauisch kontrolliertes Übel. Tatsächlich hingegen ist das<br />
Gemeinwohl nicht die Summe der addierten Einzelwohle und bleibt ein aliud<br />
und ein Eigenwert im Verhältnis zum Einzelinteresse. 317<br />
Nun gehören die bewußten Bösewichte unter uns ebenso zu den Seltenheiten<br />
wie die selbstlosen Tugendbolde. Weder eine Diktatur zur Niederhaltung des<br />
prinzipiell Bösen im Menschen, noch ein offen staatsfeindlicher Anarchismus<br />
zur besseren Entfaltung des Guten ließe sich durch empirische anthropologische<br />
Beobachtung stützen. Die Erfahrung macht vielmehr skeptisch und lehrt<br />
vielmehr, daß wir "zu allem fähig" und insoweit mit freiem Willen zum einen<br />
und zum anderen ausgestattet sind. Unsere stammesgeschichtlich ererbten Anlagen<br />
lassen uns allerdings in bestimmten Situationen zu bestimmten Handlungen<br />
neigen, die sich teilweise in der modernen Welt als problematisch erweisen<br />
können. 318 Insoweit hat Arnold Gehlen den Mensch zu Recht als Mängelwesen<br />
bezeichnet. 319 Zu den "Mängeln" gehören neben der Aggression das<br />
Dominanzstreben und eine Neigung, das eigene Wohlergehen und die kurzfristige<br />
Vergrößerung des persönlichen Erfolgs für wichtiger zu nehmen als das<br />
Gemeinwohl und damit die Grundlage der eigenen Existenz. "Der Mensch ist<br />
nicht böse von Jugend auf, er ist gut genug für die Elf-Mann-Sozietät, aber<br />
nicht 'gut genug', um sich für ein anonymes, persönlich nicht bekanntes Mitglied<br />
der Massensozietät so einzusetzen, wie für das persönlich bekannte und<br />
314 Arnim, FAZ 27.11.1993.<br />
315 Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S.302.<br />
316 Fichte, Staatslehre, S.404.<br />
317 Dürig in Maunz-Dürig, Komm.zum GG, Art.2 Abs. I, Rdn.75<br />
318 Eibl-Eibesfeldt, Der Mensch, das riskierte Wesen, S.11.<br />
319 Vgl. dazu auch die Rezension von Henning Ottmann "Der Urmensch trug kein Braunhemd"<br />
in der FAZ 15.11.1993 zur 1993 erschienenen Gehlen-Gesamtausgabe, Bd.3 Der Mensch:<br />
Gehlen habe den Begriff von Herder übernommen, und was er meine, gehe in der Sache schon<br />
auf Plinius und Protagoras zurück. Bei Platon, Politeia, siehe 320 c ff.