pdf-Version - Klaus Kunze
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den sie mit ihren Wurzeln in der Gesellschaft, üben aber mit ihren Wipfeln<br />
schon die Funktion von Verfassungsorganen aus. 248 Durch hohe Ämterkombination<br />
zwischen Partei- und Parlamentsamt und Regierungs- und Verwaltungsamt<br />
249 haben sie gewissermaßen neben das innere Gerüst staatlicher Strukturen<br />
wie eine Schlingpflanze ein personell identisches zweites Gerüst gesetzt und<br />
sich auf diese Weise direkten Zugriff auf alle staatlichen Funktionen gesichert.<br />
So sind staatliche Amtsträger zugleich Parteifunktionäre und haben damit zwei<br />
Seelen, zwei widerstreitende Loyalitäten in ihrer Brust. Solange die Partei regiert,<br />
die sie auf den Posten protegiert hat, dienen sie dazu, "möglichst viel aus<br />
ihrem Programm in der Verwaltung durchzusetzen." 250 Sie fungieren als direktes<br />
Instrument der Einflußnahme von Parteiinteressen auf den Staat, in dessen<br />
Namen sie doch das Gemeinwohl fördern sollten, nach dem alten Spruch, recht<br />
und billig sei zuvörderst das, was mir und meinen Vettern nützt.<br />
Wechselt die Regierung, bleiben sie gleichwohl als unkündbare Altlasten in<br />
der Regierungs- oder Verwaltungsbürokratie plaziert, nunmehr als Hemmschuhe<br />
gegen den ebenso gierigen Zugriff der neuen Regierungspartei. Was<br />
diese an Zielvorstellungen durchsetzen will, suchen die Rückstände der abgewählten<br />
Partei nach Kräften zu durchkreuzen. Bei höheren Beamten wie Generalstaatsanwälten<br />
pflegen nach einem Regierungswechsel daher alsbald Entlassung<br />
und Einsetzung eines anderen, parteifrommen Behördenleiters zu folgen,<br />
womit augenfällig wird, daß der nominelle Anwalt des Staats in Wahrheit als<br />
Anwalt der Regierungspartei mißbraucht wird.<br />
Ebenso hat das Parlament seine Bestimmung völlig eingebüßt, das Volk zu<br />
repräsentieren. Es ist zu einer Stätte geworden, an der sich Parteibeauftragte<br />
treffen und Entscheidungen registrieren, die Parteigremien längst getroffen haben.<br />
251 Die gesetzliche Fiktion des Art.38 GG, nach dem der Abgeordnete nur<br />
seinem Gewissen verantwortlich sein soll, ist ein nicht eingelöstes Dogma 252<br />
und praktisch ins Gegenteil verkehrt. Keineswegs wirft etwa der Parteipolitiker<br />
im Moment seiner Wahl sein Wolfsfell ab und mutiert plötzlich zu einem friedlichen<br />
Schaf, das die Parlamentswiese abgrast, auf der Suche nach der blauen<br />
248 Michael Stolleis VVDStRL 44 (1958, S.11).<br />
249 Scheuch, Cliquen S.50 f.<br />
250 <strong>Klaus</strong> Heugel, SPD-Ratsvorsitzender in Köln, zit. nach <strong>Klaus</strong> Zöller, Kölner-Stadt-Anzeiger<br />
15.2.1992.<br />
251 Was die Leibholzsche Parteienstaatslehre in Ordnung findet. Kritisch dagegen Eisermann,<br />
Parteienkrise, S.94.<br />
252 Mende, Gedanken zu einer Parlamentsreform, S.72 (79/80).<br />
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