pdf-Version - Klaus Kunze
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Schwerer noch als der Mangel an Gemeinwohlorientierung in bezug auf das<br />
deutsche Volk und den deutschen Staat wiegt der Wille der Linken zu radikaler<br />
Gesellschaftsveränderung. Er führt zu einem entscheidenden Minus an Freiheit<br />
und Flexibilität. Der beabsichtigte Gesellschaftsumbau zugunsten der Unterlegenen<br />
und zulasten der Privilegierten läßt sich nur mit staatlichen Lenkungsmechanismen<br />
durchführen. Die Partei der Unterprivilegierten muß personell und<br />
strukturell in den Rock des Staates wie in eine Handpuppe schlüpfen und sich<br />
seiner bedienen. Die notwendige Trennung von Staat und Gesellschaft als Vorbedingung<br />
menschlicher Freiheit wird dadurch nicht erleichtert, sondern unmöglich<br />
gemacht. Die Benutzung des Staates durch das liberale Postenverteilungskartell<br />
wird ersetzt durch seinen Mißbrauch durch "sozialistische" Gesellschaftsumbauer.<br />
Während dort liberale Pöstchenhaie vor lauter Intrigieren um<br />
ihre Karriere und Pfründen nicht zum Nachdenken über das Gemeinwohl kommen<br />
und ein statisches System zirkulierender Machtcliquen gebildet haben,<br />
wollen sich hier eifrige Gesellschaftsingenieure als Anwälte von Minderheiteninteressen<br />
in den Sattel setzen. Auch sie werden nicht umhin können, ein<br />
geschlossenes System zu bilden und sich vor Machtkonkurrenz abzusichern,<br />
denn erfahrungsgemäß hat es die Mehrheit nicht gern, wenn die Herrschenden<br />
zulasten der Mehrheit eine Minderheit bevorzugen.<br />
Der Glaube an die Weisheit des Plebiszits<br />
Es ist das unbestrittene Verdienst der radikalen Linken, das Plebiszit als Instrument<br />
der Delegitimierung des Repräsentativsystems wiederentdeckt zu haben.<br />
Erfunden haben sie es nicht. Sie brauchten nur Carl Schmitt aufzuschlagen,<br />
der 1932 formuliert hatte: "Jede Konkurrenz von Gesetzgebern verschiedener<br />
Art und einander relativierenden Gesetzesbegriffen zerstört [...] den Gesetzgebungsstaat<br />
selbst." In diesem herrschen Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes;<br />
er ist letzter Hüter allen Rechts, letzter Garant der bestehenden Ordnung,<br />
letzte Quelle aller Legalität. Letzte Sicherheit und letzter Schutz gegen<br />
Unrecht sind der Gesetzgeber und das von ihm gehandhabte Verfahren der Gesetzgebung.<br />
Der Staat könne nur einen Gesetzesbegriff haben, nur einen Gesetzgeber,<br />
ansonsten werde er durch innere Widersprüche zerstört. 468 So gesehen<br />
stellt die Konkurrenz der Volksgesetzgebung mit der parlamentarischen<br />
468 Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, S.22, 23, 29.