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pdf-Version - Klaus Kunze

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und Öffentlichem und damit von Legalität und Moralität entziehen. Unmoral<br />

wird dann strafbar. Im mittelalterlichen christlich-universalistischen Feudalismus<br />

hatte das die Konsequenz, daß jeder Verstoß gegen die christlichen Dogmen<br />

selbst dann auf dem Scheiterhaufen enden konnte, wenn der Ketzer im<br />

übrigen gesetzestreu war. Ketzer, wußte 1646 Nicolas de Vernuls, darf man im<br />

Staate auch dann nicht dulden, wenn sie friedlich seien, denn Menschen wie<br />

Ketzer könnten gar nicht friedlich sein. 207 Später setzte sich die alleinige<br />

Staatsräson mit ihrer Trennung von der privaten Moral durch und erlaubte ein<br />

ungekanntes Maß an Geistesfreiheit.<br />

In unserem Jahrhundert hat die Gesellschaft den Staat zurückerobert. Gewechselt<br />

haben gegenüber dem Mittelalter nur die Ideologeme. Jetzt gab es<br />

wieder den Gedankenverbrecher 208 , das ist zur Zeit der Ausländerfeind, der<br />

ewige Nazi, der Erzfeind alles Liberalen. Die gesellschaftliche Zensur ist<br />

strenger als die staatliche und arbeitet mit Tabus. "Die Probe auf die<br />

Pressefreiheit ist, ob geistige Traditionen und von nennenswerten Teilen der<br />

Bevölkerung getragene Positionen an der Öffentlichkeit teilhaben können oder<br />

nicht. Ist das nicht der Fall, kann man sicher sein, daß Zensur nicht nur<br />

ausgeübt wird, sondern sich bereits erfolgreich durchgesetzt hat." 209 Ein<br />

Indikator dafür ist es beispielsweise, wenn alle überregionalen Tages- und Wochenzeitungen<br />

von Focus und Spiegel bis WELT und FAZ es ablehnten, eine<br />

Anzeige für die erste Auflage dieses Buches abzudrucken. Die Mechanismen<br />

der gesellschaftlichen Selbstzensur sind zwar nicht plump und direkt wie die<br />

staatlichen in der DDR waren, funktionieren aber ebenso sicher. So seufzte<br />

Steffen Heitmann: 210 "Wir aus der DDR waren besonders auch wegen der garantierten<br />

Meinungsfreiheit mit einer großen Hoffnung und - wie sich jetzt zeigt<br />

- Illusion in die freiheitliche, demokratische Grundordnung eingetreten. Ich<br />

mußte erleben, daß es bei drei Vierteln der Medien eine Art von gut funktionierender<br />

Zensur gibt, die mit der in der DDR in gewisser Weise vergleichbar ist.<br />

Nur geschieht sie heute in aller Öffentlichkeit, durch Abstimmungen untereinander,<br />

durch indirekten Druck gegen Leute, die aus dem Schema ausbrechen.<br />

Ich habe das selbst erlebt, als ein Sender mich endlich einmal selbst zu Wort<br />

kommen ließ, anstatt immer nur aus dem Zusammenhang gerissene Sätze zu zi-<br />

207 Nicolas de Vernuls, De una et diversa religione.<br />

208 George Orwell, 1984, S.28.<br />

209 Schrenck-Notzing, Criticón 1993,155.<br />

210 Steffen Heitmann im Interview, Junge Freiheit 35/1994 v.26.8.1994, S.3.<br />

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