pdf-Version - Klaus Kunze
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alle Gewalten in Händen des Staates oder in Händen der vorherrschenden<br />
gesellschaftlichen Mächte befinden.<br />
Zwischen der Skylla des absoluten Staates und der Charybdis des absoluten<br />
Gesellschaft bedeutet Gewaltenteilung, den exekutiven Teil der (theoretisch als<br />
umfassend vorgestellten) Staatsgewalt dem Staat als solchem und den legislativen<br />
Teil der Gesellschaft zuzuweisen und diese somit vom Staat sowohl zur<br />
Wahrung ihrer Freiheit abzugrenzen als auch funktionell zu integrieren. So<br />
gesehen liegt der Gewaltenteilungslehre Montesquieus faktisch die Trennung<br />
von Staat und Gesellschaft zugrunde. 182 Ohne diese Trennung gibt es keine<br />
Freiheit: wenn die Gesellschaft den Staat beherrscht und zur absoluten Gesellschaft<br />
wird ebensowenig, wie wenn umgekehrt der Staat die Gesellschaft verstaatlicht<br />
und zum absoluten Staat wird. "Die Geschichte kennt in Wahrheit nur<br />
zwei große Gegensätze in der Staatsauffassung: Freiheit und Absolutismus.<br />
Fälschlicherweise wird unter Absolutismus nur die offene Gewaltherrschaft"<br />
des Staates "verstanden, während deren verdeckte Form meist übersehen<br />
wird:" 183 die absolute Herrschaft der indirekten gesellschaftlichen Gewalten.<br />
Wenn der Staat die Gesellschaft an seine Macht kettet, lassen beide sich<br />
voneinander nicht mehr unterscheiden. Dasselbe gilt, wo gesellschaftliche<br />
Kräfte den Staat erobert haben. Überall dort, wo Staat und Gesellschaft<br />
ununterscheidbar ineinander verwoben sind, gibt es keine Gewaltenteilung. Daß<br />
es im Staatsabsolutismus keine individuelle und keine gesellschaftliche Freiheit<br />
gibt, muß ich nicht eigens begründen. Aber auch die Vereinigung der Gewalten<br />
in der Hand eines einzelnen Bürgers, einer ideologischen Formation, einer Partei<br />
oder eines anderen Machtkartells läßt zwangsläufig Staat und Gesellschaft<br />
ineinander übergehen. Damit ist aber eine Grundbedingung menschlicher Freiheit<br />
beseitigt: 184 nämlich der gesellschaftlich neutrale Rechtsstaat.<br />
Nur er ist Schutzmacht der innergesellschaftlich Schwachen gegen die Starken,<br />
185 er schützt die Armen vor Ausbeutung, die Alten vor dem Elend, die<br />
Ungeborenen vor dem Egoismus der Lebenden. Er hütet die Freiheit gegen<br />
Übergriffe wohlorganisierter Machtgruppen und wahrt des Rechtsfriedens gegen<br />
das Faustrecht und die latent bürgerkriegsbereiten innergesellschaftlichen<br />
182 Roman Herzog, in M-D-H, Art.20 GG, V. Rdn.34 und ebd. Fußnote 3 m.w.N.<br />
183 E.J. Jung, Die Herrschaft der Minderwertigen, S.156.<br />
184 Hesse, DöV 1975, S.437; Böckenförde, Die verfassungstheoretische Unterscheidung von<br />
Staat und Gesellschaft.<br />
185 Zur Aufgabe des Staats als pouvoir neutre, ausgleichende Kraft der gesellschaftlichen An-<br />
tagonismen zu sein, vgl. Hornung, Criticón 1980,56 (57).