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pdf-Version - Klaus Kunze

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archie nannte sie sich zwar noch in dem Sinne, in dem heute Länder wie<br />

England und Holland Monarchien heißen. Der Verfassungsform nach aber hatte<br />

das Reich "mit der Monarchie gebrochen, denn es [war] eine Republik." Sein<br />

Kaiser, seufzte ein Monarchist, war rechtlich "der Präsident einer Republik,<br />

welchen man überein gekommen [war], Kaiser zu nennen." 580<br />

In Berlin hatte sich der Sündenfall deutscher Verfassungsgeschichte am 28.<br />

Oktober 1918 ereignet: An diesem Tage trat ein Reichsgesetz in Kraft, mit dem<br />

Reichskanzler und -regierung nicht mehr dem Souverän verantwortlich waren.<br />

Sie wurden aus ihrer Bezogenheit auf das Ganze, damals noch personifiziert im<br />

Kaiser, herausgelöst und der jeweiligen Mehrheit der im Reichstag versammelten<br />

Parteienvertreter unterworfen. Ohne deren Einverständnis konnte der<br />

spätere Reichspräsident keinen Kanzler ernennen. Damit hat die Machtergreifung<br />

der Gesellschaft über den Staat begonnen, die im 3. Reich und in der DDR<br />

als Parteiherrschaften traurige Höhepunkte erreichte und bis heute nicht wieder<br />

abgeschüttelt werden konnte. Seit 1918 saugen die partikularen Kräfte alles Gemeinschaftliche,<br />

Staatsbezogene in sich hinein, so daß Begriffe wie Staatsräson<br />

und Gemeinwohl zu von Jüngeren nicht mehr verstandenen Worthülsen wurden<br />

und jedes politische Handeln in den Augen der meisten Bürger nur noch mit<br />

innergesellschaftlichem Catch-as-catch-can assoziiert wurde, einem schmutzigen<br />

Geschäft, von dem man sich verdrossen, ja angeekelt abwendet.<br />

Gegen denselben Versuch der Gesellschaft, den Staat zu erobern, setzt sich<br />

gegenwärtig der letzte regierende Reichsfürst des Heiligen Römischen Reichs<br />

Deutscher Nation und des Deutschen Bundes, Hans Adam II. von<br />

Liechtenstein, mit erstaunlich treffenden Argumenten zur Wehr: "Fürst Hans<br />

Adam II. von Liechtenstein hat mit Wegzug aus dem Land gedroht, wenn seine<br />

verfassungsmäßigen Rechte eingeschränkt werden sollten. Sie sichern ihm in<br />

der Innen- und Außenpolitik großen Einfluß. Zu der Eröffnung des neuen Landtags<br />

sagte der Regent am Wochenende, er sehe es als seine Aufgabe an, darüber<br />

zu wachen, 'daß die demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen nicht<br />

durch die Oligarchie (Herrschaft einiger weniger) geschwächt werden'. Vor<br />

allem dürften Parteiinteressen nicht über jene des Staates gestellt werden." 581<br />

Mit dem Gesetz vom 28.10.1918 haben die Parteienvertreter im Reichstag<br />

dem Kaiser nicht mehr schaden können, weil dieser am 9. November abdankte.<br />

Mit der faktischen Installierung einer Parlamentsregierung schlugen die im<br />

Reichstag versammelten Parteienvertreter vielmehr dem Volk als neuem Souve-<br />

580 Lagarde, Deutsches Wesen, S.119.<br />

581 Meldung der FAZ vom 8.11.1993 "Vaduz 7.11.1993".

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