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pdf-Version - Klaus Kunze

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Prämissen aus dem Dilemma, weil diese demokratischen Prämissen mit denen<br />

des Liberalismus und seinem Repräsentativgedankens in Wahrheit unvereinbar<br />

sind. 568 Was die Verteidiger des Status quo auch tun - sie können nur Fehler<br />

machen. Das Demokratieprinzip als tragender, aber unverwirklichter Wert des<br />

Systems muß zur Angriffswaffe umfunktioniert werden, weil die systemimmanenten<br />

Abwehrmechanismen dann nicht greifen. 569 Gibt das System nach und<br />

läßt die Volksgesetzgebung zu, öffnet es damit nämlich weit das Tor zu seiner<br />

eigenen möglichen Veränderung und Abschaffung durch das Volk. Damit wäre<br />

das taktische Zwischenziel erreicht und die Zukunft wieder offen.<br />

Gibt das System aber nicht nach, kann es als undemokratisch "entlarvt" werden,<br />

bis die Zahl seiner Verteidiger so weit abnimmt, daß es dem Veränderungsdruck<br />

nicht mehr standhält. Als Anlaß für solche Operationen eignet sich<br />

hervorragend die Forderung nach Volksentscheid über alle jene Reizthemen, in<br />

der die demoskopisch ermittelte Meinung einer von Lösungsinkompetenz der<br />

Politiker genervten Bevölkerung auf den entschlossenen Widerstand des Parteienestablishments<br />

treffen wird, das hinter dem Plebiszit schnell die Gefahr des<br />

Systemwechsels am Horizont erkennen und daher keinen Volksentscheid zulassen<br />

wird.<br />

Gewöhnlich wird jeder Gedanke an plebiszitäre Mitwirkungsrechte des Volkes<br />

umso entschiedener verworfen, je weiter jemand "rechts" steht und der<br />

Weisheit derjenigen wenig zutraut, die zufällig die meisten sind. Umgekehrt erhofft<br />

man sich vom Plebiszit als Mittel der "Basisdemokratie" geradezu den allumfassenden<br />

Schlüssel für die Hauptprobleme unserer Zeit, wenn nicht die<br />

Aufhebung der Herrschaft des Menschen über den Menschen, je weiter man<br />

"links" steht und dem Idealbild des von Natur aus vernünftigen, autonom entscheidenden<br />

Individuums anhängt. Die skeptische, "rechte" Position hat Günter<br />

Maschke mit dem Argument auf den Punkt gebracht, wir müßten das Grundgesetz<br />

verteidigen, wie es ist, "weil das, was ein inzwischen völlig umerzogenes<br />

Volk daraus machen würde, eine noch schlechtere Verfassung wäre." Der<br />

größte Fehler von Rechten sei ihr Rousseauismus, der von seinem linken Pendant<br />

gar nicht weit entfernt sei. Die Rechte glaube, das Volk sei gut; nur der<br />

Magistrat sei korruptibel: "Das ist das Gerede, daß das Volk manipuliert werde<br />

von den Politikern, die es unterdrücken, und in Wahrheit haben wir die totale<br />

Demokratie - das ist ja die Misere! Wir haben ein System, in dem oben die<br />

gleiche Moral bzw. Amoral herrscht wie unten. Man regt sich auf über Partei-<br />

568 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage, S.21, 23.<br />

569 Helmut Schelsky, FAZ 10.12.1971.

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