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pdf-Version - Klaus Kunze

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191<br />

___________________________________________________________<br />

Nach deutscher Verfassungstradition ist der berufene Vertreter der Fundamentalinteressen<br />

aller Bürger der vom Volke direkt gewählte Bundespräsident.<br />

Dieser ernennt einen nur von ihm abhängigen Kanzler, wie in Frankreich und<br />

der Weimarer Republik, oder er regiert selbst, wie in den USA. Sein Kanzler ist<br />

aber nicht vom Parlament abhängig wie im Parlamentarismus. Ihm wird gerade<br />

gegenüber dem Parlament, das auch künftig die Gesellschaft mit ihren Binneninteressen<br />

vertritt, die notwendige Repräsentation des zu den innergesellschaftlichen<br />

Interessen meistens quer liegenden 591 Allgemeininteresses obliegen,<br />

und als dessen Vertreter wird er mit staatlicher Regierungsmacht in einem<br />

gewaltenteilenden Verfassungssystem dem gesetzgebenden Parlament ebenbürtig<br />

gegenüberstehen.<br />

Das wird dann im Ergebnis kein Parlamentarismus im engeren Sinne mehr<br />

sein, sondern ein Präsidialsystem, das im Prinzip so funktionieren wird, wie es<br />

auch bei unseren amerikanischen und französischen und russischen Nachbarn<br />

funktioniert. Nebenbei bemerkt wäre ein Präsidialsystem, wie hier vorgeschlagen,<br />

mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des BVerfG<br />

ohne weiteres vereinbar. Art.79 III und 20 GG verlangen nicht das rein parlamentarische<br />

Regierungssystem, sondern lassen ein präsidiales durchaus zu. 592<br />

Wünschenswert ist dabei eine möglichst weitgehende Trennung von Staat und<br />

Gesellschaft in Form einer völligen Unabhängigkeit des Präsidenten und der<br />

Regierung vom gesetzgebenden Parlament. Als Pragmatiker würden wir eine<br />

Verfassung wie die Weimarer und die jetzige russische 593 mit einer Regierung,<br />

die vom Vertrauen von Parlament und Präsident abhängt, natürlich als Teilverwirklichung<br />

unserer Prinzipien immer noch lieber sehen als unser heutiges System<br />

reiner Parlamentsherrschaft.<br />

Die Ironie der Geschichte des historischen Liberalismus bringt es mit sich,<br />

daß gerade das hier geforderte Regierungssystem einmal liberalen Forderungen<br />

exemplarisch entsprochen gehabt hatte: Bevor es Liberale 1918 und 1948<br />

bevorzugten, nach der ganzen Macht zu greifen und einen liberalen Parlamentsabsolutismus<br />

zu errichten, sahen sie "das Wesen des echten Parlamentarismus<br />

gerade darin, daß die Exekutive nicht das untergeordnete Instrument des Parlamentswillens<br />

ist, sondern ein Gleichgewicht zwischen beiden Gewalten be-<br />

591 Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, S.11<br />

592 Herzog, in: M.-D.-H, Art.20 GG II. Rdn.81.<br />

593 Zur Russischen Verfassung von 1993 Schweisfurth, FAZ 9.12.1993.

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