pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
pdf-Version - Klaus Kunze
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
106<br />
___________________________________________________________<br />
zu brechen. 388 In der heutigen russischen Presse werden die Opfer des Bolschewismus<br />
in der UdSSR von der Oktoberrevolution bis 1989 auf zwischen 40<br />
Mio. und 100 Mio. Menschen beziffert, 389 eine historisch singuläre Anzahl.<br />
Viele fanden es 1933 in Deutschland aus Kommunistenfurcht als weniger bedrohlich,<br />
den Staat mit diktatorischen Machtmitteln auszustatten, um die als potentielle<br />
Täter betrachteten Kommunisten in Lager zu sperren; und selbst ihre<br />
offene Ermordung duldete eine schweigende Mehrheit noch. Nicht aus Lust auf<br />
Diktatur formierte Deutschland sich zu Kolonnen, sondern aus Angst. 390 Man<br />
gab an persönlicher Freiheit dem Staat, um an Sicherheit vor empfundener Bedrohung<br />
zu gewinnen. Wie sehr die Angst vor dem Sowjetterror ein Motiv<br />
eines führenden Nationalsozialisten war, wird am Beispiel des 'Chefideologen'<br />
des 3. Reiches deutlich, dem Baltendeutschen Rosenberg: "Berichte aus Emigrantenkreisen<br />
schilderten die schlimmsten Greuel der Bolschewisten. Einschließlich<br />
der Hungertoten habe die Revolution 35 Millionen Tote gefordert.<br />
Schlimmste und brutalste Folterungsmethoden wurden an die Öffentlichkeit gebracht."<br />
Das Kaisertum bis 1918, die Weimarer Republik, das Dritte Reich, auch die<br />
Bundesrepublik und sogar die DDR waren jeweils in ihrer Weise mögliche und<br />
ihren Zeitgenossen völlig plausible Antworten auf Existenzfragen ihrer Zeit. Im<br />
Regelfall bejahte eine Mehrheit ihr jeweiliges System. Der Grundfehler unhistorischer<br />
Sicht von Vergangenem ist es, die Lösungen von heute als Maßstab<br />
für Probleme von gestern legen zu wollen. Wer der Rodungsperiode des Landausbaus<br />
vom 12. und 13.Jahrhundert nachträglich aus ökologischen Gründen<br />
grollt, hat von den Menschen, der Geschichte und menschlichen Problemlösungsstrategien<br />
ebensowenig verstanden wie der demokratische Fundamentalist,<br />
der nicht begreifen kann, warum es für eine Mehrheit der Bürger 1914 "nur<br />
noch Deutsche" und keine Parteien mehr gab und warum der Reichstag 1933<br />
das Ermächtigungsgesetz verabschiedete. Wenn der Magen unserer eiszeitlichen<br />
Ahnen knurrte, wurde eben Mammut gejagt und ausgerottet, und hätten<br />
die Eiszeitjäger darauf verzichtet, gäbe es uns womöglich nicht. Es gibt keine<br />
ewig gültigen Problemlösungsstrategien, also auch keine ewig gültigen Regie-<br />
388 Ebenso Ernst Nolte, Streitpunkte, S.345, 353 f., 358, 363 ff.<br />
389 Gnauck - Vollstreckt und bestätigt - Millionen von Erschossenen FAZ 3.4.1993; Robert<br />
Konquest, Der große Terror, 1992; dazu Rezension <strong>Klaus</strong> Hornung, Criticón 1993,149; Antonow-Owssejenko:<br />
Stalin. Portrait eines Tyrannen, Berlin 1986; Wolfgang Strauß, Der Holocaust<br />
im Vergleich, Staatsbriefe 5/1994, S.36.<br />
390 Molau, Alfred Rosenberg, S.63 f.